Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 21.) 95
gefallene Wahl zum Mitgliede des Stadtvorstandes oder der Stadtvertretung anzunehmen
und die betreffende Stelle unentgeltlich zu verwalten. Ablehnungsberechtigt sind nur
diejenigen, welche das 60. Lebensjahr zurückgelegt, welche die Stelle eines Ratsmitgliedes
schon drei Jahre hindurch versehen haben, ohne daß seitdem drei oder mehr Jahre ver-
flossen sind, oder welche sonst nach Ansicht der Stadtvertretung triftige Ablehnungsgründe
vorbringen. Die Verwaltung der Bürgermeisterstelle, welche hier im Ehrenamte zu ver-
walten ist, kann nach dreijähriger Dienstzeit stets niedergelegt werden. Ungerechtfertigte
Verweigerung der Annahme der Wahl oder vorzeitige Niederlegung der übertragenen
Stelle ziehen den Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts auf sechs Jahre nach
sich. heer die Begründetheit der Ablehnung wie über den Eintritt dieser Ehrenstrafe
hat nach den oben S. 91 unter III. mitgeteilten Grundsätzen die Gemeindevertretung
vorbehaltlich anderweiter Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren zu beschließen.
Das Bürgerrecht geht verloren durch Aufnahme in eine andere Gemeinde. Durch
bloße Verlegung des Wohnsitzes in eine andere Gemeinde erlischt das Recht zur Teil-
nahme an dem Genusse des Gemeindeguts, sofern der verziehende Gemeindebürger nicht
seine einen eigenen Haushalt bildende Familie in seiner bisherigen Wohnsitzgemeinde
zurückläßt.)
IV. Auf Einsprüche und Beschwerden, welche den Besitz oder den Verlust des
Bürgerrechts, insbesondere der Stimmfähigkeit und der Fähigkeit zur Bekleidung einer
den Besitz des Bürgerrechts voraussetzenden Stelle in der Gemeindeverwaltung und
Gemeindevertretung betreffen, sowie auf solche, welche sich auf die Verpflichtung zum
Erwerbe und zur Verleihung des Bürgerrechts oder auf die Zugehörigkeit zu einer be-
stimmten Bürgerklasse“ beziehen, beschließt die Gemeindevertretung. Über das Verfahren
und die Rechtsmittel gegen den Beschluß der Gemeindevertretung vgl. oben S. 91 unter IV.“
b) Das Bürgerrecht in Hannover.7
I. Die hannöversche Städteordnung, welche die Insassen der Stadt in Bürger
und Einwohner teilt, hat das Prinzip der Bürgergemeinde und das der Einwohner-
gemeinde vermischt, auf jenem beruht der in ihr als die Regel betrachtete Erwerb
des Bürgerrechts durch Verleihung, auf diesem der Umstand, daß sie den Erwerb durch
Abstammung nicht kennt und gewisse Einwohner ipso jure wider ihren Willen Bürger
werden läßt.
1 Wahlordnung, §§. 12, 16. Diese Vor-
schriften gelten nicht mehr hinsichtlich der Ver-
pflichtung zur Übernahme und Verwaltung der
Bürgermeister= und Beigeordnetenstellen in Land-
gemeinden. Ablehnungsgründe und Strafen
bestimmen sich hier nach den §s. 8 u. 36 der
Kr. O. hess.-nass.
2 Zust. G., §. 10, Z. 3.
2 G. G., 8§§. 88, 89.
“ So z. B. über Zugehörigkeit zur Klasse
der hochbesteuerten Ortsbürger in Kurhessen.
Zust. G., 98. 10, Z. 1; 11 u. 21.
* Ahnliche Vorschriften wie die hessischen Ge-
meindegesetze enthalten die alten hohenzollern-
schen Gesetze über Erwerb, Verlust und Inhalt
des Gemeindebürgerrechts. In Hechingen, wo
die Voraussetzungen des Bürgerrechts — gleich-
mäßig für die Stadt= und die Landgemeinden —.
durch die Vdg. v. 3. Febr. 1826 geregelt sind,
ist das Bürgerrecht entweder ein angeborenes,
welches nach vollendetem 25. Lebensjahre an-
getreten werden muß, oder ein erworbenes, das
gegen Entrichtung eines Einkaufsgeldes durch
einen vom Bez. A. bezw. Kr. A. zu genehmigen-
den Gemeindebeschluß verliehen wird. In Sig-
maringen, wo die Vorschriften über das Ge-
meindebürgerrecht teils in der Gemeindeordnung
(§§. 2—5), teils in dem Gesetze über das Ge-
meindebürger= und Beisitzerrecht v. 5. Aug. 1837
enthalten sind, zerfällt das Bürgerrecht gleich-
falls in ein angeborenes und ein erworbenes.
Ersteres muß nach vollendetem 24. Lebensjahre
vor dem Gemeinderate angetreten werden. Die
Verleihung des Bürgerrechts erfolgt durch den
Gemeinderat unter Zustimmung des Bürger-
ausschusses bei Erfüllung gewisser im Erseor
aufgezählter Voraussetzungen. Außer dem Bür-
gerrecht kennt das Ges. von 1837 noch ein Bei-
sitzerrecht, welches nur durch Geburt von den
dasselbe besitzenden Eltern erworben wird. Das
Bürger= und Beisitzerrecht erlischt durch Auf-
gabe des Wohnsitzes, kann aber durch Zahlung
eines Rekognitionsgeldes erhalten werden. Der
Inhalt des Bürgerrechts besteht in dem Rechte
zur Teilnahme an den Gemeindenutzungen, in
dem Gemeindestimmrechte und dem aktiven und
passiven Gemeindewahlrechte, der Inhalt des Bei-
sitzerrechtes heute nur noch in dem Rechte zur
Benutzung der öffentlichen Gemeindeanstalten.
7 Leidig, S. 55 ff.; Grotefend, §. 249.