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Reichskanzlers vom ı7. März 1878, das im Anschlusse an die Be-
stimmung des Reichsbankgesetzes von 1875!) die Stellvertretungs-
frage generell geregelt hat.
Der preußische Entwurf?) schloß sich an die Substitutions-
befugnis des Art. ı5 an und forderte, daß die Stellvertreter des
Reichskanzlers „aus anderen Mitgliedern des Bundesrats“ ernannt
werden, ein Erfordernis, das der vom Bundesrat umgearbeitete, vom
Reichstag schließlich unverändert angenommene Entwuit fallen ließ.
Zwei Arten von Stellvertretern schafft das Gesetz, d. h. es
macht deren Bestellung nicht obligatorisch, sondern läßt dieselben
nur zu: einen Generalstellvertreter (Vizekanzler) für den gesamten
Umfang der Geschäfte und Obliegenheiten des Reichskanzlers
und Spezialstellvertreter für einzelne Amtszweige ?).
Voraussetzungen der Bestellung sind Fälle der Verhinderung
des Kanzlers, wobei unter Verhinderung nicht nur eine persön-
in dem er v. Bennigsen zu einem Besuche in Varzin einladet, um mit ihm seine
Pläne zu besprechen, „bevor ich dieses erste Stadium einer kanzlerischen Initiative
amtlich beschreite.... Es handelt sich“, so schreibt Fürst Bismarck, „dabei um die
formale Möglichkeit der Vertretung des Reichskanzlers, die vielleicht nicht ohne Ver-
fassungsänderung geschaffen werden kann, und um einige Modifikationen in der Ein-
teilung der Reichsämter und ihrer Beziehung zu Preußischen Ministerien, die jetzige,
durch die mächtige Persönlichkeit von Delbrück ins Leben gerufene Praxis, führte zu
Delbrücks Zeit unüberwindliche Frictionen beider Elemente, später und jetzt die Gefahr
der Trockenlegung von Reich und Bundesrat durch den Partikularstaat Preußen herbei.
Ich suche das Heilmittel in Ausdehnung des Systems der Personal-Union, wie sie bisher
im Monarchen, im Kanzler, im Kriegsminister und im Auswärtigen besteht. Wie
Kanzler und Minister-Präsident, so sollte auch die Vertretung beider identisch sein.“
Daß aber gerade diese vom Kanzler erstrebte Personalunion der Spezialstellvertreter
mit preußischen Ministern im Stellvertretungsgesetz ausgeschlossen wurde, wird unten
noch dargestellt werden.
ı) Vgl. die preußischen Motive zum Stellvertretungsgesetz (Ro&ll u. Epstein,
Bismarcks Staatsrecht, S. 73). $ 26 des Reichsbankgesetzes vom 14. März 1875 sagt: „Die
dem Reiche zustehende Leitung der Bank wird vom Reichskanzler und unter diesem
von dem Reichsbank-Direktorium ausgeübt; in Behinderungsfällen des Reichskanzlers
wird die Leitung durch einen vom Kaiser hiefür ernannten Stellvertreter wahrgenommen.“
2) Abgedruckt bei Ro&ll-Epstein, S. 7ıff.
3) An diesem Vizekanzler, der ein Staatsmann und Vizepräsident des preußischen
Staatsministeriums sein müsse, lag dem Fürsten Bismarck hauptsächlich, weniger an
den Spezialstellvertretern. (Vgl. v. Mittnacht, Erinnerungen an Bismarck, 4. Aufl.,
Stuttgart und Berlin 1904, S. 61.)
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