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durch die Einrichtung einer Volksverlreiung von seiner königlichen Macht zuviel
einzubüßen.
2. Die Aufstände. Im Februar 1848 war in Frankreich wiederum eine
Revolution ausgebrochen. Man hatte den König verjagt und eine Republik errichtet.
Die Nachricht davon zündete auch in Deutschland. Die Unzufriedenheit war auch
hier überall groß. Zuerst kam es in Wien zu heftigen Unruhen, eine Woche später
in Berlin und fast gleichzeitig auch in München. In Berlin errichtete das Volk
Barrikaden, und es fanden blutige Straßenkämpfe statt. Auch in Hannover, Hessen
und Mecklenburg brachen Aufstände aus. Sachsen hatte zwar bereits 1831 eine
Verfassung erhalten, aber deren Bestimmungen waren noch nicht in allen Stücken
durchgeführt. Es blieb am längsten ruhig, aber im Mai 1849 brach doch auch hier
der Aufruhr los, besonders in Dresden fanden heftige Straßenkämpfe statt. Der
König war auf den Königstein geflohen. Da das sächsische Heer zu derselben Zeit
in Schleswig-Holstein gegen die Dänen kämpfte, so mußte man preußisches Militär
herbeirufen, mit dessen Hilfe der Aufstand schließlich niedergeworfen wurde. Unter
denen, die damals aus Sachsen fliehen mußten, weil sie sich am Aufstande beteiligt
hatten, befanden sich auch Richard Wagner und Gottfried Semper. Während dieser
bewegten Zeit stockte Handel und Wandel. Erst allmählich wurde die Ruhe wieder
hergestellt.
3. Ablehnung der Kaiserwürde durch König Friedrich Wilhelm IV. von
Preußen. Neben dem Wunsche einer freieren Verfassung hatte das Volk ein immer
dringenderes Verlangen nach der Einigung Deutschlands. Um die Angelegen-
heiten des Reiches zu regeln, wurden im Jahre 1848 Abgeordnete nach Frankfurt
am Main geschickt. Es war nun die Frage, ob Osterreich oder Preußen die Führer-
schaft und damit die Kaisergewalt erhalten sollte. Die Mehrzahl der Abgeordneten
entschied sich für Preußen, da dieses ein rein deutsches Land sei und von jeher das
Wohl Deutschlands als sein Wohl angesehen habe. Als aber die Abgesandten in
Berlin erschienen und dem Könige die Kaiserkrone anboten, lehnte er sie ab. Er
wollte sich dieser Krone wegen nicht mit Osterreich, vier Königen und Rußland in
einen Krieg stürzen. Die Einigung Deutschlands war damit vorläufig gescheitert.
4. Heeresreform in Preußen. Erst unter Friedrich Wilhelms IV. Nachfolger,
Wilhelm I. (1861—1888) sollte sich die Sehnsucht des deutschen Volkes nach der
Wiederaufrichtung des Deutschen Kaiserreiches und der Einigung der deutschen
Stämme unter einem Kaiser erfüllen. Wilhelm I. war der zweite Sohn der Königin
Luise und der Bruder des vorigen Königs. Als er zur Regierung kam, war er bereits
64 Jahre alt, aber trotzdem sollte ihm noch beschieden sein, Großes zu erleben und
für Deutschland das Höchste zu erreichen.
Der König sah ein, daß Preußen nur mit Hilfe einer starken Armee eine Achtung
gebietende Stelle einnehmen könne. Seit 1814 aber war das Heer nicht vergrößert
worden, obwohl sich die Bevölkerungszahl fast verdoppelt hatte. So mußten bei
einer Mobilmachung alte Landwehrleute, die daheim Weib und Kind hatten, in
das Feld ziehen, während viele taugliche junge Leute nicht ausgebildet waren und
zu Hause blieben. Der König wollte von nun an jährlich statt 40000 Rekruten deren
63000 einstellen, die dreijährige Dienstzeit durchführen und die Landwehrpflicht
verkürzen. Bei dieser Neubildung des Heeres fand er an seinem Kriegsminister
von Roon und dem Leiter des Generalstabes von Moltke vorzügliche Berater.