Full text: Sächsisches Realienbuch enthaltend Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mineralogie

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6. Ritterleben im Mittelalter. 
1. Bildung des Ritterstandes. Bei den alten Deutschen, ja selbst noch bei Karl 
dem Großen bestand das Heer fast nur aus Fußgängern. Durch Heinrich I. aber 
wurde besonders die Reiterei ausgebildet, und fortan bildeten die Ritter (d. h. Reiter) 
die Hauptmacht des Heeres. Bis zu den Kreuzzügen hin gab es keinen besonderen 
Ritterstand. Ein jeder, der mit Panzer und Helm, Schwert und Lanze wohl- 
ausgerüstet zu Pferde dem Aufrufe zum königlichen Heerbanne folgte, war ein Ritter. 
Al aber zur Zeit der Kreuzzüge die Ritter ihr Schwert ganz und gar der heiligen 
Sache widmeten, da gelangten die Ritter zu hohem Ansehen. Sie bildeten jetzt 
einen eigenen Stand, dem nur Männer von Adel und großem Länderbesitz an- 
gehören sollten. So entstand eine Scheidewand zwischen Ritter und Bauer, zwischen 
Wehr= und Nährstand. 
2. Erziehung. Bis zum siebenten Jahre wuchs der Edelknabe unter der Pflege 
der Frauen auf; dann trat er als Page in den Dienst eines Ritters. Hier diente 
er bei Tische, begleitete seinen Herrn auf der Jagd und auf Reisen, lernte die Arm- 
brust spannen und übte sich im Singen und Saitenspiel. Nach vollendetem 14. Jahre 
wurde er Knappe und empfing das Schwert. Als Waffenträger zog er nun mit 
seinem Herrn in die Fehde und zum Turnier und leistete ihm in Gefahr treuen Bei- 
stand. Im 21. Jahre wurde er zum Ritter geschlagen. Das geschah in der Kirche 
und in Gegenwart von Fürsten, Geistlichen und Edelfrauen. Hier mußte er 
schwören, daß er der Tugend leben, täglich die Messe hören, die Schwachen und 
Unschuldigen beschützen und dem Landesherrn treu sein wolle. Darauf gab ihm 
ein Ritter mit dem flachen Schwerte drei leichte Schläge auf die Schulter, und dann 
wurden ihm außer dem Schwerte noch Lanze, Helm, Panzer und goldene Sporen 
Üüberreicht. 
3. Die Wohnung des Ritters war die Burg. Sie lag entweder auf steilem 
Felsen oder in der Ebene, von Sumpf und Wasser geschützt. Häufig war sie von einem 
tiefen Graben umgeben, über den eine Zugbrücke führte. Der Burghof wurde 
von den Ställen der Pferde und von dicken Mauern eingeschlossen. Über dem Ein- 
gangstore befand sich ein Turm, auf dem der Wächter saß. Dieser verkündete durch 
sein Horn den Bewohnern der Burg den friedlichen Besuch und den nahenden Feind. 
In der Mitte des Burghofes stand das Herrenhaus, das Hauptgebäude, gegenüber 
das Frauenhaus, wo die Burgfrau mit den Kindern weilte. Auch eine Burgkapelle 
fand sich meist vor. Etwas abseits von diesen Gebäuden erhob sich der Bergfried, der höchste 
Turm auf der Burg. Er diente dem Ritter bei der Belagerung als letzter Zufluchtsort. Wenn 
der Feind bereits in die Burg eingedrungen war, dann floh der Burgherr mit den Seinen 
in diesen Turm. Unten hatte der Turm keinen Eingang. Nur durch eine Leiter konnte man 
in die weit nach oben hin angebrachte Tür gelangen. Nach der Flucht zog der Ritter diese 
Leiter zu sich in den Turm und trotzte so dem Feinde oft noch wochenlang. Denn mit Speise 
und Trank hatte er sich versorgt. Auch war unten im Turm ein Brunnen. — Zugleich aber 
diente der Bergfried auch als Kerker. Unten in seiner Tiefe befand sich das Burgverlies, 
ein schauriges Gefängnis, in das weder Sonne noch Mond hineinschien. Hier hinein warf man 
schwere Verbrecher, indem man sie an einem Taue hinunterließ. 
4. Leben in der Burg. Turniere. Im Winter war das Leben in der Burg 
einsam. Der Sommer brachte mehr Abwechslung. Große Fröhlichkeit herrschte, 
wenn befreundete Ritter zum Besuch da waren. Dann saßen die Ritter beim vollen 
Becher zusammen und ergötzten sich an den Erzählungen ihrer Kampfestaten, oder
	        
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