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in ihre Hand. Die reich gewordenen Städte strebten darnach, sich von ihrem Grafen
oder Bischof frei zu machen und nur den Keaiser über sich zu haben. Gelang ihnen
das, so waren sie freie Reichsstädte, die anderen hießen Landstädte. Die
Blütezeit der Städte beginnt im 13. und 14. Jahrhundert.
2. Aussehen. Die Städte waren zum Schutze gegen die Feinde mit einer
hohen, oft doppelten Mauer umgeben, auf der sich runde, eckige oder spitze Wehr-
türme befanden. An einzelnen Stellen führten durch die Mauern in die Stadt
enge Tore, die nachts durch mächtige Torflügel geschlossen wurden. Der Raum
innerhalb der Mauern wurde sorgfältig ausgenutzt. Darum waren die Straßen
eng, die Häuser hoch. Obere Stockwerke baute man oft mehrere Fuß breit über
das untere heraus, so daß man über sich den blauen Himmel kaum sehen konnte.
Meistens standen die Giebel nach der Straße hin. Die krummen Straßen waren
ungepflastert. Da fast alle Bürger Ackerbau trieben und Vieh hielten, lag der
Düngerhaufen neben dem Hause. Des Morgens tutete der Hirt die Kühe zusammen
und trieb sie auf die gemeinschaftliche Weide. Schweine liefen frei auf den Straßen
umher. Bei schlechtem Wetter konnte man sich kaum durch den Schlamm und die
Pfützen hindurcharbeiten. Die Unreinlichkeit verdarb die Luft und das Wasser.
Ansteckende Krankheiten, ja Pest und Aussatz forderten viele Opfer. Um die
Mitte des 14. Jahrhunderts wütete der „schwarze Tod“, eine furchtbare Pest, in
Westeuropa. Große Städte verloren oft mehr als die Hälfte ihrer Einwohner.
Die Häuser waren meist aus Holz gebaut und mit Schindeln oder Stroh gedeckt.
Brach in einem Hause Feuer aus, so verbreitete es sich oft schnell über ganze Straßen
und Stadtteile und legte sie in Schutt und Asche. Reiche Leute bauten sich große
und schöne Häuser, die Kinder und Enkel noch verschönerten. Am Marktplatze, der
mit einem Brunnen geziert war, lag das stattliche Rathaus, daneben das Kauf-
haus, wo die Kaufleute ihre Waren feilboten. Besonders schön waren die Kirchen
mit ihren weithin sichtbaren Türmen, an denen frommer Eifer viele Jahrzehnte
unter großen Opfern baute. Der Cölner Dom, der Straßburger und Ulmer Münster
sind Zeugen von der Größe und Kraft des städtischen Bürgertums.
3. Bewohner. Wer in der Stadt wohnte, war frei. „Stadtluft macht frei“",
sagte man. Wenn ein Höriger Jahr und Tag in der Stadt gelebt hatte, so konnte
sein Herr keinen Anspruch mehr auf ihn erheben. Die vornehmsten und reichsten
Bürger bildeten die Geschlechter oder Patrizier. Sie hatten fast den ganzen
Grundbesitz inne und waren nicht selten unermeßlich reich. In ihren Häusern sah
es prächtig aus und strahlte alles von Gold und Silber. Den übrigen Stadt-
bewohnern gegenüber hatten die Patrizier viele Vorrechte. So z. B. wählten sie
den Schultheißen, sowie die Schöffen und Ratsherren aus ihrer Mitte. Nach langen,
blutigen Kämpfen erreichten die Handwerker, daß auch sie Sitz und Stimme im
Rat erhielten.
4. Handel und Verkehr. Der Wohlstand einer Stadt hing ab von der Be-
deutung ihres Handels. Die Seestädte, besonders Genug und Venedig, holten
die Schätze des Morgenlandes: Gewürz, Seide, Zucker, Waffen mit ihren Schiffen
herbei. Auf Saumtieren wurden die Waren dann durch die Alpenpässe nach Augs-
burg und Nürnberg gebracht und von hier aus in alle Teile Deutschlands ver-
kauft. Ein Mittelpunkt des Handels am Oberrhein war das „goldne“ Mainzz;
am Niederrhein blühte Cöln empor, das damals den Seeschiffen erreichbar war.