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lauschten. Der berühmteste Meistersänger war Hans Sachs in Nürnberg, ein
„Schuh- macher und Poet dazu“.
8. Wehr und Waffen. Jeder Bürger war zum Waffendienst verpflichtet
und mußte, wenn die Sturmglocke erschallte, mit seinem Spieße auf dem bestimmten
Platze erscheinen (daher Spießbürger). Manche Städte hielten sich auch Stadt-
knechte oder Söldner. In Friedenszeiten übten sich die Bürger in den Waffen
und veranstalteten Schützenfeste, auf denen sie mit der Armbrust nach einem höl-
zernen Vogel schossen. Wer am besten traf, wurde Schützenkönig und bekam einen
Preis. — Verkündete vom hohen Wartturme der spähende Wächter den Feind,
so führte der Stadthauptmann das Bürgerheer aus der Stadt, um die Feldschlacht
zu wagen. Voran ritten die Geschlechter mit dem Stadtbanner, dann folgten die
Zünfte: die Schmiede, Metzger, Tuchmacher, Weber, Schuster usw. unter ihren
Zunftmeistern. Zuletzt kamen die Söldner. Mußte eine Belagerung ausgehalten
werden, dann gab es saure Arbeit; denn die Feinde suchten die Mauer zu zerstören
oder zu übersteigen. Sie schoben den Mauerbrecher heran, zogen den an Ketten
wagerecht hängenden schweren Balken etwas zurück und stießen ihn dann mit seiner
eisernen Spitze gegen die Mauer, um eine Bresche zu legen. Oder sie schleuderten
mit Wurfmaschinen schwere Steine in die Stadt. Mittlerweile war der hölzerne
Belagerungsturm fertig, der die Stadtmauer überragte. Er wurde auf Rädern
dicht herangeschoben, eine Fallbrücke niedergelassen, und nun drangen die Krieger
in die Stadt. Andere erstiegen mit Leitern die Mauer. Die Bürger aber wehren
sich. Ein Loch in der Mauer wird sofort wieder ausgefüllt. Mit der Armbrust
suchen sie jeden Feind, der sichtbar wird, niederzuschießen. Sie gießen Pech, Schwefel
und geschmolzenes Blei auf die Andringenden und suchen den Belagerungsturm
in Brand zu setzen. Oft werden die Feinde mit blutigen Köpfen heimgeschickt.
3. Recht und Geletz.
1. Femgerichte. Aus den alten Volksgerichten der Franken entstanden nach
und nach die Femgerichte. In den schutz- und rechtlosen Zeiten des Mittelalters
verbreiteten sie sich durch ganz Deutschland. Sie gewährten jedem Freien den
sichersten Schutz und waren der Schrecken der Übeltäter. Ihre obersten Richter
hießen Freigrafen, die übrigen Mitglieder Freischöffen oder auch „Wissende“,
weil sie um die Geheimnisse der Feme wußten. Die Stätte, wo das Gericht ab-
gehalten wurde, nannte man die Mahlstätte, das Gericht selbst den Freistuhl.
Der oberste Freistuhl war in Dortmund unter der Femlinde, die noch heute als
Zeuge jener Gerichtsstätte dasteht. Ursprünglich bildeten sich die Femgerichte näm-
lich nur in Westfalen aus. Die Freibauern hier blieben lange nur von Kaiser und
Reich abhängig und behielten die Grafengerichte bei, wie zur Zeit Karls des Großen.
Auf der Mahlstätte stand ein Tisch, um den die Richter saßen. Auf dem Tische
lagen Schwert und Strick, die Zeichen des Rechts über Leben und Tod. War
jemand beim Femgerichte verklagt, dann ward er durch den Ladebrief mit sieben
Siegeln vorgeladen.
War er ein Ritter, der auf seiner Raubburg verschlossen wohnte, so hieben die Fron-
boten drei Späne aus dem „Rennbaum oder Riegel“ am Tore und steckten den Ladungs-
brief in die Kerben. (Daher noch heute der Ausdruck Steckbrief.) Dann schlugen sie drei-