— 78 —
empfohlen worden. Ihre Anlage dazu war nur gering, doch
versuchte sie es immer wieder mit der ihr eigenen Energie, bis
ihre große Kurzsichtigkeit sie veranlaßte, ganz davon abzusehen.
Frau von Werthern war 1858 von ihrer Stellung zurückgetreten.
Die Kronprinzeß nahm keine neue Oberhosmeisterin in ihren
Dienst, sondern eine zweite Hofdame, die von ganzem Herzen
ihrer Fürstin zugethane und ergebene Fräulein Marie von Minckwitz.
Als Gräfin Schall sich 1865 verheiratete, trat Gräfin Irma
Wallwitz an ihre Stelle, mit angenehmem Wesen, mit richtigem
Takte und guten Formen, aber für den Hofdienst etwas zu zarter
Gesundheit.
Pflichten der Repräsentation, sein militärischer Beruf, dem
er sich mit größter Hingebung widmete, und die Liebe zum edlen
Weidwerk bewirkten, daß der Kronprinz öfter abwesend war.
Die Kronprinzeß verstand ihre Zeit aber auch allein nützlich zu
verwenden. Durch völlige Beherrschung der französischen und
englischen Sprache war ihr die Litteratur beider Völker neben
der deutschen zugänglich. Einige Morgen- und Abendstunden
waren der ausgebreiteten Korrespondenz und der Lektüre gewidmet.
Alles künstlerische Streben wurde unterstützt, das aufblühende Kunst-
gewerbe gefördert. Die Kronprinzeß besuchte öfter, entweder allein
oder mit dem Kronprinzen zusammen, die Königliche Kupferstichsamm-
lung und die Privatsammlung der Sekundogenitur unter Führung
des Professors Gruner, hörte auch Vorträge über Kunstgeschichte
bei Professor Hettner. Von den Künsten bevorzugte die Kronprinzessin
die Malerei, nahm Stunden bei Professor Kummer und entwickelte
neben der Blumenmalerei das Talent, Landschaften charakteristisch
und rasch zu skizzieren. Klavierlehrer Krägen, ein Original, hatte