Preußen. 147
vor Beginn der eigentlichen Adreßdebatte gibt der Finanzminister
v. d. Heydt folgende Erklärung ab:
„Das Staatsministerium hat sich bei der Discussion über die Vorfrage,
ob eine Adresse zu beschließen sei oder nicht, einer Betheiligung enthalten zu
sollen geglaubt. Es kann dem Staatsministerium nur willkommen sein,
wenn das hohe Haus sich gedrungen fühlt, in einer Adresse an des Königs
Majestät den Gefühlen der Ehrfurcht und der Treue Ausdruck zu geben.
Ob der von der Commission vorgeschlagene Entwurf oder ob die heute im
Wege der Amendements eingebrachten Entwürfe diesem Zwecke entsprechen,
wird das hohe Haus zu erwägen haben. Der Commissions-Entwurf gedenkt
weder des Allerhöchsten Erlasses vom 19. März c. noch der bei Eröffnung
der Session im Allerhöchsten Auftrage verlesenen Thronrede. Er findet kein
Wort für die huldvollen Kundgebungen Sr. Majestät des Königs. Bei der
Darlegung der Lage des Landes gibt er weder für die unverkennbaren Er-
folge unserer auswärtigen Politik, noch für das durch die offenkundigsten
Thatsachen bestätigte Wachsen der öffentlichen Wohlfahrt ein Interesse zu er-
kennen. Ob ein solches Schweigen mit dem Zwecke der Adresse überein-
stimme, kann das Staatsministerium nur der unbefangenen Erwägung des
hohen Hauses anheimgeben.
„Das Staatsmintsterium muß sich beim Beginn der Debatte vorzugsweise
gegen die Annahme verwahren, daß seinerseits irgendwo die in dem Com-
missionsentwurf bekämpfte Unterstellung gemacht sei, als ob ein großer Theil
der Volksvertretung und der preußischen Wähler sich feindliche Ein-
griffe in die Rechte der Krone schuldig und anarchischer Umsturzge-
lüste verdächtig gemacht habe. Aus kelnem Akte der Staatsregierung ist eine
solche Beschuldigung zu entnehmen. Allerdings hat das Staatsministerium
es als seine unerläßliche Pflicht erkannt, die Rechte der Krone mit Ent-
schiedenheit zu wahren, und nicht zugegeben, daß der Kraft des königlichen
Regiments, auf welcher Preußens Größe und Wohlfahrt wie Preußens Zu-
kunft beruht, zu Gunsten einer sog. parlamentarischen Regierung
Abbruch geschehe. Das Staatsministerium hat sich in diesem Punkte in
offenen Gegensatz gestellt gegen jede Partei, deren Bestrebungen auf die Ver-
legung des Schwerpunktes der Staatsgewalt in die Volksvertretung gerichtet
sind. Auch hierin befindet sich das Ministerium seiner gewissenhaften Ueber-
zeugung nach im vollen Einklange mit der Verfassung. Es hat sich der
Erkenntniß nicht verschließen dürfen, daß die Erweiterung des Einflusses und
der Macht eines Factors der Gesetzgebung nicht erstrebt, der Schwerpunkt
des Regiments nicht verschoben werden kann, ohne zugleich jede segensreiche
Wirkung der Verfassung in Frage zu stellen. Nach der Ueberzeugung des
Staatsministeriums legt die Verfassung jedem Factor der Gesetzgebung die
Verpflichtung auf, nicht durch den rücksichtslosen Gebrauch seiner besonderen
Rechte die Grundbedingungen des preußischen Staatslebens zu gefährden.
An diese Wahrheit hat das Staatsministerium erinnert, indem es der Ent-
wicklung eines parlamentarischen Regiments die ungeschwächte Erhaltung des
königlichen Regiments gegenübergestellt hat. Gegen die Mißdeutung, daß
hiermit ein nicht verfassungsmäßiger Gegensatz zwischen „Königthum und
Parlament“ aufgestellt worden sei, muß sich das Staatsministerium entschie-
den verwahren. In dem verfassungsmäßigen Preußen gibt es kein König-
thum ohne Landesvertretung, aber auch keine Landesvertretung ohne König-
thum.
„Das Staatsministerium hat im Bewußtsein voller Loyalität und Ver-
fassungstreue gehandelt, als es nach der berechtigten Entschließung des erha-
benen Trägers der Krone die Leitung der Geschäfte in einem Zeitpunkte
übernahm, wo unverkennbar eine nicht gewöhnliche Erregung der Gemüther
herrschte, wo namentlich im Drange nach raschen Erfolgen die politischen
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