Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

Deutschland. 97 
und Preußen erkennen diese als nothwendig im Interesse der Sicherheit und 
der Rechte Deutschlands an, und sind bereit, dazu auf der einmal an- 
genommenen Basis mitzuwirken, auf welcher sie, ohne Präjudiz für 
die anderen am Bundestag schwebenden Fragen und ohne dem Ausland 
eine Berechtigung zum Einspruch darzubieten, durchgeführt werden können. 
Eine Anzahl deutscher Regierungen aber will die Execution ausdrücklich 
und formell in eine Occupation des Landes auf Grund der streitigen 
Successionsfrage verwandelt wissen, und diese Verschiedenheit der Auffassungen 
hat zu unserem Bedauern bisher die Erstattung des längst erwarteten Aus- 
schußberichts verhindert, und droht in der Bundesversammlung selbst zu einer 
Uneinigkeit zu führen, welche die ganze Maßregel selbst unmöglich machen 
würde. Das Verhalten der beiden deutschen Großmächte zu den 
eine Occupation fordernden Anträgen ist gleichmäßig durch das Interesse 
Deutschlands und durch ihre euxopäische Ste Stellung bedingt. Sie 
können nicht, unter dem Namen irgendwelcher Occupation oder Intervention 
mit den Waffen in der Hand gegen den Londoner Vertrag auftreten, 
so lange sie dessen Gültigkeit anerkennen. Ueber die Bedingungen, an 
welche sich dieß Anerkenntniß knüpft, haben sie sich in ihrem Votum in der 
letzten Bundestagssitzung ausgesprochen. Sie müssen darnach die ernstesten 
Bedenken dagegen geltend machen, daß Deutschland und sie selbst ohne drin- 
gende Nothwendigkeit der Eventualität eines Kriegs ausgesetzt werden, dessen 
Dimensionen unberechenbar sind, dessen Folgen und Gefahren aber vorzugs- 
weise auf die beiden deutschen Großmächte zurückfallen würden. Die deutschen 
Bundesgenossen können überzeugt sein, daß Oesterreich und Preußen, nach- 
dem sie sich über diese Frage vollständig geeinigt haben, in 
derselben die Rechte und Interessen Deutschlands mit dem Nachdruck wahren 
werden, welcher nach der Gesammtlage Europas anwendbar ist. Wenn die 
beiden Mächte hiefür das Vertrauen ihrer Bundesgenossen in Anspruch neh- 
men, so müssen sie zugleich auch darauf aufmerksam machen, daß der Bund 
selbst, wenn er seine Stellung in Europa wahren will, die letztere in euro- 
päischen Fragen auch vom europäischen und politischen Gesichtspunkte auf- 
fassen muß. Sie müssen die deutschen Regierungen bitten, ernstlich zu er- 
wägen, welche Gefahren für den Bund selbst sich an ein übereiltes und 
einer einseitigen Tendenz folgendes Verfahren knüpfen können. Es kann 
dem Ansehen desselben nicht förderlich sein, wenn die beiden Großmächte in einer 
Frage, in welcher sie einig und bekanntlich durch europäische Verträge gebunden 
sind, überstimmt  werden. Noch bedenklicher aber wäre es, wenn der Bund 
den Eindruck machte, für Europa statt der Bürgschaften des Friedens 
und der Ordnung, welche man von ihm erwartet, Gefahren und 
Elemente der Uneinigkeit zu schaffen. Oesterreich und Preußen ver- 
langen von ihren Bundesgenossen nicht ein Verzichtleisten auf ihre eigenen 
Auffassungen in der Successionsfrage. Es steht nichts im Wege, daß sie die- 
selben bei der Abstimmung am Bunde noch ausdrücklich wahren. Aber 
es ist dringend zu wünschen, daß sie durch dieselben, im Hinblick auf die 
obigen Erwägungen, sich nicht hindern lassen, der einfachen Ausführung der 
einmal beschlossenen Executionsmaßregeln zuzustimmen, und sich so den beiden 
Großmächten anzuschließen. Ein darüber zu fassender Beschluß bedarf keiner 
weiteren ausführlichen Motivirung, sondern eventuell unter Vorbehalt der 
Erbfolgefrage nur des einfachen Hinweises auf das vollkommen Ungenügende 
der bisher an den Bund gelangten Erklärungen. Indem die kais. (k. preuß.) 
Regierung hienach an die . . .  Regierung das Ersuchen richtet, daß ihr Bundes- 
tagsgesandter instruirt werden möge, dem österreichisch-preußischen Antrage auf 
sofortige Ausführung der einfachen Execution zuzustimmen, darf sie die Hoff- 
nung aussprechen, daß die . . . den obigen Erwägungen sich nicht verschließen, 
und die volle Verantwortlichkeit für die ernsten und unab- 
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