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so kann innerhalb der zwei auf die letzte Verwarnung folgenden Monate das
Verfahren wegen des Verbotes der Zeitung oder Zeitschrift bei der Regierung
eingeleitet werden. Ist innerhalb dieser Frist die Einleitung des Verfahrens
nicht erfolgt, so ist vor späterer Einleitung eines solchen eine nochmalige vor-
herige Verwarnung erforderlich."
Bericht des Ministeriums an den König zu Begründung der Preß-
ordonnanz: „ . . . Je mehr die Staatsregierung sich genöthigt sah, den un-
berechtigten und übertriebenen Erwartungen und Forderungen der Parteien
Widerstand zu leisten, desto leidenschaftlicher und rückhaltloser mißbrauchte ein
Theil der Presse die derselben gewährte Freiheit zur heftigsten und selbst ge-
hässigsten Opposition gegen die Regierung Ew. k. Maj. und zur Untergrabung
aller Grundlagen eines geordneten Staatswesens, sowie der Religion und der
Sittlichkeit. An der beklagenswerthen Verirrung der Gemüther, welcher die
jetzige Lage der Staatsverhältnisse zuzuschreiben ist, trägt unzweifelhaft
die völlig ungezügelte Einwirkung der Presse einen großen Theil der Schuld.
Die positive Gegenwirkung gegen die Einflüsse derselben vermittelst der con-
servativen Presse kann schon deshalb den wünschenswerthen Erfolg nur theilweise
haben, weil die meisten der oppositionellen Organe durch eine langjährige Gewöh-
nung des Publikums und durch die industrielle Seite der betreffenden Unter-
nehmungen eine Verbreitung besitzen, welche nicht leicht zu bekämpfen ist.
Die Einwirkung der Justizbehörden aber auf Grund des Preßgesetzes
vom 12. Mai 1851 und des Strafgesetzbuchs hat sich als unzureichend er-
wiesen, um die Ausschreitungen der Presse, erfolgreich zu hindern. Der Kampf
wird seitens der letzteren zum Theil auf eine Weise geführt, bei welcher die
Remedur durch die Rechtspflege kaum möglich ist. Die gehässigsten Angriffe
und Insinutionen gegen die Staatsregierung, ja gegen die Krone selbst, wer-
den mit Vorbedacht so gefaßt, daß sie zwar für Jedermann leicht verständlich,
auch für die große Masse des Volkes zugänglich und von verderblichster Wir-
kung sind, ohne jedoch jederzeit den Thatbestand einer strafbaren Handlung,
wie ihn der Richter seiner Rechtsprechung zu Grunde legen muß, nachweisbar
darzustellen. Oft auch bieten ganze Artikel für sich nicht die Handhabe zur
gerichtlichen Verfolgung, während doch der Zusammenhang derselben mit der
gesammten sonstigen Haltung des Blattes die klare Ueberzeugung von der
verwerflichen und staatsgefährlichen Absicht gewährt. Es existirt eine Anzahl
gerade in den unteren Schichten der Bevölkerung viel gelesener Blätter, welche
auf solche Weise täglich die verderblichsten Auffassungen und Darstellungen
verbreiten und augenfällig einen vergiftenden Einfluß auf die öffentliche Stim-
mung und auf die Sittlichkeit des Volkes üben. Gegen diese gefährliche Ein-
wirkung der Presse kann eine Remedur nur eintreten, wenn neben der ge-
richtlichen Verfolgung einzelner straffälliger Kundgebungen ein Blatt auch
wegen seiner Gesammthaltung zur Rechenschaft gezogen werden kann,
wenn der Staatsregierung die Möglichleit gegeben wird, der sichtlich und fort-
dauernd verderblichen Haltung eines Blattes ein Ziel zu setzen. . . .“
Zugleich ergeht eine Ministerial-Instruktion, der zufolge
die Zeitungen über Regierungsmaßregeln nichts veröffentlichen dür-
fen, wodurch dieselben als ungesetzlich oder verfassungsmäßig hin-
gestellt werden. Angriffe auf die innere und äußere Politik der
Regierung sollen nicht geduldet werden: selbst eine Kritik auswär-
tiger Zustände wird verboten, insofern hinter derselben ein Tadel
der preuß. Politik sich verbergen sollte. Die Regierungen sollen
rücksichtlos und ohne Zögern mit den beiden Verwarnungen vor-
gehen, damit die Zeitungen entweder sich fügen oder sofort ver-
boten werden können.