142 Preußen.
9. Nov. Eröffnung des Landtags. Die Thronrede des Königs stellt in
dem Conflict mit dem Abgeordnetenhause keine wesentliche Concession
in Aussicht:
„ . . Es ist Mein dringendster Wunsch, daß den zwischen Meiner Regierung
und einem Theil der Landesvertretung entstandenen Zerwürfnissen ein Ende
gemacht werde. Meine Königspflicht gebietet Mir, die Macht und Rechte
Meiner Krone nicht minder wie die verfassungsmäßigen Befugnisse der Lan—
desvertretung hochzuhalten und zu schützen. Ueber den Umfang und die
Grenzen des, an sich unbestrittenen, Rechts der Landesvertretung zur Mit—
wirkung bei der gesetzlichen Feststellung des Staatshaushaltsetats haben
sich entgegengesetzte Auffassungen geltend gemacht. Um zur Ausgleichung der-
selben zu gelangen, wird Ihnen eine Vorlage gemacht werden, welche bestimmt
ist, die Befugnisse der Regierung, für den Fall, daß der Staatshaushaltsetat
nicht zur gesetzlichen Feststellung gelangt, zu regeln, und der Befürchtung ent-
gegenzutreten, daß Meine Regierung in solchem Fall eine unbeschränkte Ver-
fügung über die Staatsfonds, ohne Rücksicht auf das Recht der Landesvertre-
tung, in Anspruch zu nehmen beabsichtige. Ich habe aber nicht allein für die
innere Wohlfahrt, sondern auch für die äußere Sicherheit des Staats Sorge
zu tragen, und muß in beiden Beziehungen auf Ihre Mitwirkung rechnen
können. Die neue Formation des Heeres ist aus dem unabweislichen
Bedürfniß hervorgegangen, mit der gesteigerten Wehrkraft der Nachbarländer
gleichen Schritt zu halten, und Den wirthschaftlichen Interessen der eigenen
Bevölkerung durch die Vertheilung der gesetzlichen Wehrpflicht Rechnung zu
tragen. Das Heer ist auch nach der Reorganisation, wie Ich dieß schon im
Jahr 1860 an dieser Stelle ausgesprochen, das preußische Volk in Waffen,
und zwar in größerer Wahrheit, als zuvor; denn während die verstärkte Or-
ganisation der Linie eine Erleichterung der älteren Landwehrclassen möglich
macht, ist die Gesammtstärke der Landwehr unverändert geblieben. Diese For-
mation hat sich in den verflossenen Jahren, auf Grund der Bewilligung des
Landtags während der Sitzungsperioden von 1860 und 1861, zu einer dauern-
den Staatseinrichtung ausgebildet, deren Bestand ohne bedenkliche Gefährdung
der wichtigsten Interessen des Landes nicht mehr in Frage gestellt werden
kann. Die Erkenntniß dieser Gefahr legt Mir die Pflicht auf, Meine nach
der Verfassung erforderliche Zustimmung nur einem solchen Staatshaushalts-
Etat zu ertheilen, durch welchen die Erhaltung der bestehenden Heereseinrich-
tung sichergestellt wird. Um einen gesetzlichen Abschluß dieser Angelegenheit
endlich herbeizuführen, wird Ihnen der umgearbeitete Entwurf eines Gesetzes
über die Verpflichtung zum Kriegsdienst vorgelegt werden. Es ist seither die
Erwartung in Erfüllung gegangen, daß die Durchführung der Reorganisation
des Heeres in den Finanzkräften des Staates kein Hinderniß finde. Die Ein-
nahmen sind, wie bekannt, im vorigen Jahre so ergiebig gewesen, daß sie nicht
nur zur vollständigen Deckung der Staatsausgaben ausgereicht, sondern auch
noch einen beträchtlichen Ueberschuß geliefert haben, über dessen Verwendung
Ihnen Vorschläge zugehen werden. Zu gleichen Hoffnungen berechtigen auch
die dießjährigen Staatseinnahmen; sie werden, soweit dieß jetzt zu übersehen
ist, ausreichende Mittel bieten, sämmtliche Staatsausgaben dieses Jahres ohne
Rückgriff auf den Staatsschatz zu decken. Meine Regierung wird Ihnen den
Staatshaushaltsetat für das laufende Jahr mit einem Nachtrag unverzüglich
vorlegen. In dem Staatshaushaltsetat für das Jahr 1864, welcher ebenfalls
alsbald zu Ihrer Prüfung gelangen wird, ist zwar das scheinbar vorhandene
Deficit noch nicht beseitigt, derselbe liefert jedoch den erfreulichen Beweis, daß
die Staatseinnahmen, ohne die bewährten Grundsätze bei der Veranschlagung
zu verlassen, in erheblichem Maße haben höher angenommen werden können,
und die Mittel darbieten werden, in allen Verwaltungszweigen zahlreiche neue
Bedürfnisse zu befriedigen. . . . Die Verhandlungen über die Fortsetzung des