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Oesterreich.
Landtag des Großfürstenthums Siebenbürgen einberufen worden ist, findet
sich unter den Königreichen und Ländern, welche Oesterreichs Scepter ver—
einigt, keines mehr, dem nicht die Bahn zur Theilnahme an den Berathungen
der gemeinsamen Angelegenheiten erössnet wäre, welche durch das Diplom vom
20. October 1860 und das Patent vom 26. Februar 1861 der Reichsvertre-
tung vorbehalten sind. Lassen Sie uns hoffen, daß jene Ueberzeugungen über
die Mittel und Wege zu dem von Allen sehnlichst gewünschten Ziele, von
welchem jüngst ein loyaler Ausdruck von den fernen Grenzen des Reiches an
die Stufen des Thrones gelangt ist, mit siegreicher Krast sich weiter und
weiter verbreiten und zum allgemeinen Heile sich bethätigen werden. Ueber-
schauen wir die Verhältnisse des Kaiserstaates, so werden wir uns ermuthigt
fühlen, mit Zuversicht an dem begonnenen Werke auszuharren und vertrauens-
voll den kommenden Zeiten entgegen zu gehen. Unter den Segnungen eines
ungestörten Friedens hat der Reichsrath seine erste Session geschlossen; sie
beglücken uns beim Beginne der zweiten und es wird fortan der Wunsch und
das Ziel der eifrigsten Bemühungen der Regierung Sr. Maj. sein, sie ferner
ungetrübt bewahren zu können. Gesichert und geschirmt durch freiheitliche
Institutionen sehen wir auf allen Gebieten des geistigen und materiellen Le-
bens eine rege Thätigkeit sich entfalten, des Reiches Kräfte in rascherer Ent-
wicklung begrissen, sein Ansehen und seine Machtstellung sich mehr und mehr
befestigen. Fassen wir die Lage der Finanzen in's Auge, so zeigt sie uns
befriedigende Fortschritte auf jener Bahn, welche zum Zwecke ihrer vollstän-
digen Negelung eingeschlagen worden ist. Se. k. k. apostolische Majestät
wünschen und erwarten, daß die Finanzvorlagen, sobald sie an das Haus der
Abgeordneten gelangen, geprüft und in vorbereitender Weise berathen werden,
indem bis zu dem Zeitpunkte, mit welchem die Beschlußfassung eintreten kann,
die Theilnahme der Abgeordneten des Groffürstenthum Siebenbürgen an den
Berathungen des Reichsraths in dieser Session sich gewärtigen läßt.“
18. Juni. Zweiter gemeinsamer Schritt Englands, Frankreichs und Oester-
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reichs gegenüber Rußland zu Gunsten Polens.
Oesterr. Depesche: „.. Wir sind auf diese Weise in natürlicher Folge dazu
veranlaßt worden, im Einvernehmen mit den Cabinetten von London und Paris
die Erklärung des russischen Hofes zu prüfen. Sie erschienen uns als den Er-
wartungen entsprechend, welche wir von der Weisheit und den freisinnigen
Absichten des Kaisers Alexander hegten. Das Cabinet von St. Petersburg selbst
schien in der That den Wunsch an den Tag zu legen, in einen Austausch
von Ideen über die zur Erreichung des gemeinsamen Zieles unserer Wünsche
geeignetsten Mittel einzugehen. Oesterreich, Frankreich und England haben
sich somit gewissermaßen aufgefordert gefunden, ihre Ansichten in eine bestimm-
tere Form zu bringen und darüber freundschaftliche Erörterungen mit der
russischen Regierung zu pflegen. Beseelt von dem Geiste der Versöhnung,
welcher unseren ersten Schritt geleitet hatte, haben wir nicht gezögert, den
uns angezeigten Weg zu verfolgen. Wir haben demzufolge nach den Be-
dingungen geforscht, durch welche dem Königreiche Polen Ruhe und Frieden
wiedergegeben werden könnten, und sind dahin gelangt, diese Bedingungen in
den folgenden sechs Punkten zusammenzufassen, welche wir der Erwägung
„i : des Cabinetes von St. Petersburg empfehlen. I. Vollständige und allgemeine
Amnestie. II. Nationale Vertretung, welche an der Gesetzgebung des Landes
theilnimmt und wirksame Mittel der Controle besitzt. III. Ernennung von
Polen zu den öfsentlichen Aemtern in solcher Weise, daß eine besondere natio-
nale und dem Lande Vertrauen einflößende Administration gebildet werde.
IV. Volle und gänzliche Gewissensfreiheit und Aufhebung der die Ausübung
des katholischen Cultus treffenden Veschränkungen. V. Ausschließender Ge-
brauch der polnischen Sprache als amtliche Sprache in der Verwaltung, der
Justiz und dem Unterrichtswesen. VI. Einführung eines regelmäßigen und