Desterreich. 157
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gesetzlichen Rekrutirungssystems. Mehrere von den Bestimmungen dieses Pro-
grammes bilden einen Theil des Entwurfes, welchen das Cabinet von St.
Petersburg selbst seiner Haltung vorgezeichnet hat, andere enthalten. Vortheile,
welche dasselbe verheißen oder hat hoffen lassen; keine endlich überschreitet
das Maß dessen, was die Verträge zu Gunsten der Polen festgesetzt haben.
Wir überlassen uns daher gern der Ueberzeugung, daß diese Vorschläge von
dem russischen Hofe als Grundlagen jenes Austausches von Ideen, wozu der-
selbe sich geneigt gezeigt hat, aufgenommen werden..“
20.—29. Juni. (Tyrol). Feier des Jubiläums des Concils von Trient.
Die Glaubenseinheitspartei überreicht der bischöflichen Versammlung
durch eine Deputation eine Adresse.
21. Juni. Der bisherige Präsident des Abg.-Hauses, Professor Hasner,
24.
25.
26.
wird zum Präsidenten des Unterrichtsrathes ernannt.
„ Das Herrenhaus genehmigt die ihm vorgeschlagene Antworts-
Adresse fast ohne Discussion mit allen gegen 3 Stimmen:
„Vertrauensvoll der Zukunft ins Auge blickend, wünschen wir mit Ew.
Maj. die Erhaltung des ungestörten Friedens, unter dessen Segnungen wir
die zweite Session beginnen. Zwar werfen unheilvolle Kämysfe in einem
Nachbarreiche ihre drohenden Schatten über unsere Grenzen; aber wir ver-
trauen, die Regierung Ew. Majestät werde im Verfolge ihres Vorgehens auch
fernerhin mit staatsmännischem Blicke inmitten aller trüben Verwicklungen
jedem wahrhaft berechtigten Anspruche des nationalen und kirchlichen Lebens,
sowie den Interessen der Menschlichkeit ihre thätige Theilnahme widmen, zu-
gleich aber die Sorge für Erhaltung des uns so kostbaren Friedens mit
der kraftvollen Wahrung der Integrität des Reichs zu vereinen wissen. Mit
warmer Theilnahme begleiten wir die erfreulichen Fortschritte der Verhandlun-
gen der Bundescommission zur Herstellung einer allgemeinen deutschen Ci-
vilprozeßordnung noch überdies auch darum, weil deren glückliche Erfolge
die alten Fundamente, auf denen Oesterreichs Stellung zu Deutschland
beruht, neu befestigen und die tausendjährige Verbindung in unauflöslichem
Bundesverhältnisse stehender Länder noch inniger knüpfen.“
Eine Erklärung von 11 Mitgliedern der czechischen Partei, in
welcher dieselben mit Bezug auf ihre Bedenken gegen die Compe-
tenz des Reichsrathes die Gründe darlegen, weßhalb sie an dessen
Sitzungen nicht theilnehmen können, wird vom Abg.-Hause nicht
anerkannt. — Beginn der Adreßdebatte im Abg.-Hause, Rede
Grocholski's über die polnische, Rede Berger's über die deutsche Frage.
„ Fortsetzung der Adreßdebatte im Abg.-Hause. Trotz einer Er-
läuterung des Abg. Grocholski zu seiner Rede vom vorigen Tage
wird ein Amendement des Abg. Herbst zu dem Passus über Polen
angenommen:
„Das Abgeordnetenhaus erkennt in dem gemeinsamen Vorgehen Oester-
reichs mit England und Frankreich in den gegenwärtig ganz Europa bewe-
genden Angelegenheiten des Königreichs Polen einen Ausdruck weiser und
gerechter Politik nach Außen, und wenn die kaiserl. Regierung, unveränderlich
festhaltend an der Integrität des Reiches, für die Forderungen der
Menschlichkeit und die gerechten Ansprüche eines schwer mißhandelten Nachbar-
stammes auf Sicherung seiner nationalen und religiösen Bedürfnisse mit an-
deren Mächten das Wort erhebt, so wurde damit nicht nur den Sympathien
und Wünschen der Bewohner Oesterreichs entsprochen, sondern es werden auf
diesem Wege auch die wahren Interessen des Reiches und der Weltfrieden ge-