Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

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England. 
digende Lösung kaum vermehren. Und wenn sich mit Bezug auf Polen und 
Italien kein heilsames Ergebniß erwarten läßt, ist es da rathsam, einen all- 
gemeinen europäischen Congreß zu berufen, um ein Heilmittel für die Anar- 
chie in der Moldau-Wallachei zu finden? Wären alle diese Fragen — die 
polnische, italienische, dänische, donaufürstenthümliche — durch bloßen Mei- 
nungsausspruch zu lösen, so möchten vielleicht die Ansichten der brittischen 
Regierung von denen des Kaisers der Franzosen nicht sehr abweichend gefun- 
den werden. Aber wenn mit der bloßen Aeußerung von Meinungen und 
Münschen sich kein positives Resultat erreichen ließe, so erscheint es ge- 
wiß, daß die Berathungen eines Congresses aus Forderungen und Ansprüchen 
bestehen würden, welche die einen erhöben und denen die andern sich wider- 
setzten; und da es in einer solchen Versammlung keine oberste Autorität gäbe, 
um die Majoritätsbeschlüsse in Vollzug zu setzen, so würden voraus- 
sichtlich viele Mitglieder des Congresses sich in schlimmerer 
Stimmung voneinander trennen, als sie zusammengetreten 
waren. Und daraus folgt, daß der vorgeschlagene Congreß wahrscheinlich 
keine Minderung der Kriegsrüstungen bewirken würde. Also unvermögend die 
Wahrscheinlichkeit jener wohlthätigen Folgen zu erkennen, die der Kaiser der 
Franzosen sich versprach, als er einen Congreß vorschlug, fühlt J. M. Regie- 
rung, eigener fester Ueberzeugung gemäß und nach reiflicher Berathung, sich 
außer Stand Sr. kais. Maj. Einladung anzunehmen.“ 
— 
1. Dec. Sir Joh. Lawrence wird an Lord Elgin's, Stelle zum Vice- 
5. 
17. 
könig von Ostindien ernannt. 
„ Lord Wodehouse wird in außerordentlicher Mission nach Kopen- 
hagen gesandt. 
„ Deepesche des Grafen Russel an den englischen Gesandten in 
Dresden gegen die deutsche Bewegung wider das Londoner 
Protokoll: 
„Die Regierung J. M. hat mit Ueberraschung und Schmerz die Sprache 
vernommen, welche hinsichtlich des Londoner Vertrages vom Mai 1852 ge- 
führt worden ist. Die Mächte, welche jenen Vertrag unterzeichneten oder dem- 
selben später beitraten, müssen eingedenk sein, daß sie sich durch denselben 
nicht allein Dänemark, sondern auch Großbritanien, Frankreich, Ruß- 
land und Schweden gegenüber, welche Theilnehmer an dem Vertrage waren, 
und allen den übrigen Staaten und Mächten gegenüber verbindlich machten, 
deren Beitritt zu demselben gesucht und erlangt wurde, und daß es der aus- 
gesprochene Gegenstand und Zweck jenes Vertrags war, nicht die wechselsei- 
tigen Beziehungen Dänemarks und Deutschlands zu regeln, sondern als ein 
für das allgemeine Interesse Europa's wesentliches Abkommen zu dienen. Eine 
Verletzung der von Dänemark in den Jahren 1851—1852 gegen Deutschland 
übernommenen Verbindlichkeit ist ein Vergehen, welches gehörig empfünden 
und dessen Abstellung mit Recht gefordert werden kann. Eine solche Verletzung 
kann aber nicht zur Wirkung haben, einen andern Theilnehmern gegenüber 
eingegangenen feierlichen europäischen Vertrag ungiltig zu machen. Die von 
Dänemark im Jahre 1852 hinsichtlich Holsteins und Schleswigs ertheilten 
Versprechungen mögen für Oesterreich und Preußen der überwiegende Beweg- 
grund gewesen sein, dem Vertrag vom Mai 1852 beizutreten, aber wenn 
diese Mächte an den Verpflichtungen des Vertrags nicht treu halten, so können 
sie nicht mit dem geringsten Anschein von Recht als Entschuldigung dafür 
anführen, daß ihre Erwartungen hinsichtlich der Erfüllung der von Dänemark 
zu anderer Zeit und in anderen Urkunden übernommenen Verbindlichkeiten 
getäuscht worden seien. Die gesammte Grundlage der vertragsmäßigen Fest- 
setzungen in Europa würde umgestürzt werden, wenn ein solcher Grund als
	        
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