Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

England. 183 
eine Entschuldigung für den Bruch einer klaren und einfachen vertragsmäßi- 
gen Verpflichtung zugelassen werden könnte., Irgend ein Souverän könnte, 
zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten aufgefordert, sagen: „Mein Beweggrund 
für Wiederrufung jedes Vertrags mit Euch war, daß ich mit einem der Ver- 
tragstheilnehmer ein anderes Abkommen hatte. Dieses andere Abkommen 
war nicht gehalten worden und daher ist mein Vertrag mit Euch null und 
nichtig.“ J. M. Regierung ist überzeugt, der Dresdener Hof werde einsehen, 
daß eine derartige Beweisführung, wenn sie als giltig zugelassen würde, jeden 
bestehenden Vertrag in Trümmer verwandeln würde. JIch enthalte mich der 
Anführung von beispielsweisen Fällen, in denen eine derartige leichtfertige 
und launenhafte Art der Vertragsauslegung sich als ernstlich 
nachtheilig für die deutschen Mächte selbst erweisen dürfte. Für jetzt genüge 
es J. M. Regierung, zu erklären, daß sie jedes Abgehen von dem Erbfolge- 
vertrage von 1852 seiten solcher Mächte, welche den gedachten Vertrag unter- 
zeichnet haben oder demselben beigetreten sind, als gänzlich unverträglich mit 
ehrlicher Gesinnung (good falth) erachten würde." 
27. Dec. Note des englischen Gesandten am deutschen Bunde an 
28. 
31. 
den Präsidenten der Bundesversammlung unter Mittheilung einer 
Abschrift des Londoner Vertrags vom 8. Mai 1852: 
„ Der Unterzeichnete ist gleichzeitig beauftragt, zu bemerken, daß die 
hohe Bundesversammlung ersehen will, daß durch diesen Vertrag Frankreich, 
Großbritannien, Rußland und Schweden übereinkommen, König Christian IX. 
als Nachfolger in allen Besitzungen anzuerkennen, welche Se. Maj. der ver- 
siorbene König von Dänemark inne hatte. Diese Anerkennung hat bereits 
seitens aller dieser Mächte stattgehabt. Der Unterzeichnete ist daher angewiesen 
hervorzuheben, daß, wenn die Bundesversammlung durch irgendeinen über- 
eilten Schritt einen dem Londoner Vertrag entgegengesetzten Weg einschlägt, 
ernste Verwicklungen sich ergeben dürften. Der Unterzeichnete ist ferner 
beaustragt Sr. Exc. dem Präsidirenden der Bundesversammlung zu erklären, 
daß die Regierung J. britannischen Maj. bereit ist, diese Gegenstände in einer 
Conferenz zu verhandeln, welche an irgendeinem Ort, über den man sich 
vereinigte, zusammenträte, und an welcher alle Paciscenten des Londoner 
Vertrags und ein Vertreter des deutschen Bundes theilnehmen würden.“ 
„ Diie englische Regierung läßt mit der allmäligen Schleifung 
der Festungswerke von Corfu beginnen. " 
„ Eine Depesche des Grafen Russel an den englischen Gesandten 
beim deutschen Bunde wiederholt den Vorschlag einer Conferenz 
zu Lösung der schleswig-holsteinischen Frage, dießmal unter Aufrecht- 
haltung des eingetretenen stalus duo: 
„Die Ereignisse, welche eingetreten sind seit dem Tode des vorigen Königs 
von Dänemark, haben die Regierung J. Maj. mit ernster Besorgniß erfüllt. 
Zuerst hatten die Dinge einen günstigen Anschein. Der Nachfolger Friedrichs VII. 
wurde allgemein anerkannt, ebensowohl in Holstein, Lauenburg und Schles- 
wig, als in dem Königreich Dänemark. Einige der Richter und Professoren 
in Holstein verweigerten allerdings den Huldigungseid, aber Ruhe und Ge- 
horsam behielten im allgemeinen die Oberhand. Dieser innern Zustimmung 
folgte die Anerkennung von Seiten Frankreichs, Großbritanniens, Rußlands 
und Schwedens. In Deutschland aber war ein sehr verschiedener Geist 
vorherrschend. Einige der Souveräne und Staaten, welche dem Vertrag von 
London beigetreten sind, zeigten sich als die ersten, welche die Ansprüche des 
Prinzen von Augustenburg auf die Erbfolge in den Herzogthümern Holstein 
und Schleswig unterstützten. Die zwei deutschen Großmächte Oesterreich 
und Preußen gingen auf gemäßigtere Weise vor. Die Rechtsansprüche 
Christians IX. auf die Regierungsnachfolge in die Lande Friedrichs VII. ge-
	        
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