Frankreich. 491
Gesinnungen, wir bedauern die kleinlichen Gründe, und wir verdammen die
schlechten Vorwände. Denen die nicht stimmen, aus Furcht die Berechtigung
der Regierung anzuerkennen, antworten wir: „ihr hindert nichts, wenn ihr
nicht stimmt, und ihr gebt alles auf.“ Denen die da ausrufen: „Der Kampf
ist nicht aufrichtig, man kämpft im Düstern,“ antworten wir: „Werdet ihr
dann heller sehen, wenn ihr die Augen verschlossen haltet?"“ Denen die wieder-
holen: „Der Kampf ist nicht gleich, wir sind im voraus geschlagen,? legen
wir die Frage vor: „Würdet ihr auch auf einem Schlachtfeld, wo man stirbt,
also zählen? Nein, ihr würdet eure Zahl nicht bemerken und würdet nicht an
die Flucht denken. Und übrigens, wenn ihr im Kampf geschlagen werdet, würdet
ihr es minder sein, wenn ihr nicht kämpftet?“ Wollt ihr aber nach der Ansicht
des Bürgers im allgemeinen unter den jetzigen Verhältnissen auch die Meinung
des Bischofs wissen, hier ist sie: Zwei Hauptinteressen sind in diesem Au-
genblick mit der Politik Frankreichs vermischt und ihr untergeordnet. Bei uns
ist' die religiöse Freiheit; in Rom ist's die weltliche Unabhängigkeit
des Oberhaupts der Kirche. Die religiöse Freiheit ist die erste aller, und es
muß ausgesprochen werden, in unserer so aufgeregten Gesellschaft hat diese religiöse
Freiheit keine bessere Stütze als die öffentliche Freiheit. Der Ausschluß einer
gewissen Anzahl Abgeordneter, welche sich dem hl. Stuhl am treuesten bewahrt
haben, ist eine beklagenswerthe und bezeichnende Sache. Es geschieht in Italien
nichts ohne die Erlaubniß Frankreichs. Also wenn ihr Schriftsteller seid,
schreibt; wenn ihr gewählt werdet, sprecht; wenn ihr Wähler seid, stimmt ab.
Und nun seht warum alle Stimmen sich vereinen, euch zur Wahlurne zu
rusen. Die Regierung sagt euch: ich will das Gute, ich will es aufrichtig;
aber wenn man mich nicht aufklärt, mir nicht räth, mich nicht controlirt,
können sich für Frankreich, seine Interessen, seine Finanzen, für seine Politik
Gefahren erheben, welche ich allein nicht zu beschwören im Stande wäre.
Das Vaterland sagt euch: Zu meinem Wohlergehen, zu meinem Fortschritt sind
mir Gesetze, Institutionen, Reformen nöthig; gebt mir also weise Gesetz-
geber, gerade feste, überzeugte, rechtschaffene Gemüther, welche dem öffentlichen
Wohl ergeben sind. Die Religion ruft euch zu: ich mache mit der Gesellschaft
schwere Zeiten durch, ich bedarf wachsamer Vertheidiger.“
28. Mai: Persigny erläßt noch unmittelbar vor den Wahlen an sämmt-
liche Präfecten ein Manifest gegen die alten Parteien,
das an allen Straßenecken in Paris und in allen Gemeinden des
Landes angeschlagen wird:
„Zum ersten Male seit dem Bestehen des Kaiserreichs wagen es die feind-
seligen Parteien, die Staatseinrichtungen, welche sich Frankreich gegeben hat,
angesichts der allgemeinen Abstimmung anzugreifen. Zu gemeinsamer An-
strengung verbündet, suchen die Männer von 1815, von 1830 und von 1848
auf verschiedenen Punkten den guten Glauben des Landes zu überrumpeln,
um gegen den Kaiser die Freiheiten zu kehren, welche er kürzlich gegeben hat;
und alle nehmen, als gehorchten sie Einem Loosungswort, ihre Zuflucht zu
demselben Manövre. Da sie die großen Dinge, die seit zehn Jahren vollbracht
wurden, nicht läugnen können, denn Jedermann hat sie vor Augen, so fallen
sie über die Mittel her, welche zur Ausführung dieser Dinge gedient, über
die Staatsfinanzen nänlich, weil wenige Leute nur. in derartigen Fragen be-
wandert sind und sie deshalb um so strafloser Lüge und Irrthum verbreiten
zu können hoffen. Ihre Rechnung ist sehr einfach. Wenn es ihnen gelänge,
die öffentliche Meinung über unsere Finanzlage zu beunruhigen, so würden
sie gleichzeitig das Vertrauen des Landes in unsere Einrichtungen schwächen,
und das ist gerade das Geheimniß ihres Unterfangens. Das Land jedoch,
Herr Präfect, wird nicht lange mehr sich durch solche lügnerische Behaup-
tungen bethören lassen. Wenn der Kaiser innerhalb zehn Jahren Frankreich
zu einem so hohen Grade des Gedeihens bringen konnte, so hat dies seinen
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