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Frankreich.
müssen. Dazu gehören: der amerikanische Krieg, die unvermeidliche Occu-
pation Mexico's und Cochinchina's, und der polnische Aufstand. Die so viel
kritisirten Expeditionen in der Ferne waren keineswegs die Ausführung
eines vorher überlegten Planes; die Macht der Umstände vielmehr veranlaßte
sie, und trotzdem sind sie nicht zu beklagen. Wie konnten wir in der That
auch unsern auswärtigen Handel ausdehnen, wenn wir einerseits auf jeden
Einfluß in Amerika verzichteten, und wenn andererseits gegenüber den im
Besitz der Engländer, Spanier und Holländer befindlichen ungeheuren Gebiets-
strichen Frankreich allein ohne Besitzungen in den asiatischen Gewässern blieb!
Wir haben in Cochinchina eine Stellung erobert, welche, ohne uns in die
Wirren der Local-Regierung zu verwickeln, uns gestatten wird, die gewaltigen
Hilfsmittel jener Länder auszubenten und sie durch den Handel zu civilisiren.
In Merico haben wir gesehen, wie nach unerwartetem Widerstand, den der
Muth unserer Soldaten und Matrosen überwand, die Bevölkerung uns als
Befreier empfing. Unsere Bemühungen werden nicht unfruchtbar gewesen
sein, und wir werden für unsere Opfer eine reiche Entschädigung finden, wenn
die Geschicke jenes Landes, das uns seine Wiedergeburt verdanken wird, einem
Fürsten anvertraut sind, den seine Einsicht und seine Vorzüge einer so edlen
Sendung würdig machen. Lassen Sie uns daher Vertrauen zu unseren über-
seeischen Unternehmungen haben, die begonnen wurden, um unsere Ehre zu
rächen! Sie werden mit dem Triumph unserer Interessen endigen, und wenn
auch befangene Gemüther nicht ahnen, wie viel reiche Früchte die für die
Zukunft gesäeten Keime in sich bergen, so wollen wir uns doch den so zu
sagen an den beiden äußersten Weltenden, sowohl zu Peking wie in Mexico
erworbenen Ruhm nicht trüben lassen.
„Die polnische Frage erfordert größere Ausführlichkeit. Beim Aus-
bruch des polnischen Aufstandes waren die Beziehungen zwischen den Regie-
rungen Rußlands und Frankreichs der besten Art; seit dem Frieden waren
diese Regierungen in den großen europäischen Fragen in Einvernehmen ge-
wesen, und ich nehme keinen Anstand zu erklären, daß während des italieni-
schen Krieges, so wie bei der Einverleibung der Grasschaft Nizza und Sa-
voyens der Kaiser Alexander mir die aufrichtigste und herzlichste Unterstützung
geliehen hat. Dieses gute Einvernehmen würde Rücksichten auferlegen, und
ich mußte die Sache Polens für sehr populär in Frankreich halten, um kein
Bedenken zu tragen, eines der ersten festländischen Bündnisse in Frage zu
stellen, um die Stimme zu Gunsten einer Nation zu erheben, die in Ruß-
lands Augen rebellisch war, in den unfrigen jedoch die Erbin eines in der
Geschichte und den Verträgen verzeichneten Rechtes. Indessen diese Frage
berührte die wichtigsten europäischen Interessen und konnte nicht von
Frankreich allein behandelt werden. Nur eine unserer Ehre ange-
thane Beleidigung oder eine Bedrohung unserer Grenzen legt uns die Pflicht
auf, ohne vorher erzieltes Einverständniß zu handeln. Es ward daher nöthig,
wie zur Zeit der Ereignisse im Orient und in Syrien, mich mit den Mäch-
ten, welche ähnliche Gründe und Rechte wie wir für sich hatten, zu verstän-
digen. Der polnische Aufstand, welchem seine Dauer einen nationalen Cha-
rakter verlieh, erweckte überall Sympathien, und das Streben der Diplomatie
war darauf gerichtet, dieser Sache so viel Anhang wie möglich zu gewinnen,
um mit dem vollen Gewichte der Meinung Europa's auf Ruß-
land zu drücken. Dieses Zusammentreffen fast einstimmiger Wünsche schien
uns das geeignetste Mittel zu sein, durch Ueberredung auf das Cabinet von
Petersburg einzuwirken. Leider wurden unsere uneigennützigen Rathschläge als
Einschüchterung ausgelegt, und statt dem Kampfe Einhalt zu thun, dienten
die Schritte Englands, Oesterreichs und Frankreichs nur dazu, seine Erbit-
terung noch mehr zu steigern. Von beiden Seiten werden Excesse begangen,
welche man im Interesse der Menschlichkeit in gleicher Weise beklagen muß.
Was bleibt also zu thun übrig? Sind wir in die alleinige Wahl zwi-