Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

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Unßland. 259 
Partei gelungen, die polnische Frage auf den Boden der europäischen Diplo- 
matie zu stellen. Es handelte sich darum, glauben zu machen, die Unord- 
nungen des Königreichs seien keineswegs die Thaten einer Minorität, sondern 
wirklicher Ausfluß einer wahrhaft nationalen Bewegung. Die Dimission des 
Erzbischofs mußte diesem politischen Manöver ein großes Gewicht geben. Auch 
geschah es, daß, im Augenblick, wo Msgr. Felinski in Warschau seine Di- 
mission einreichte und sie auf die Vorstellungen des Großfürsten wieder zu- 
rückzog, der Moniteur in Paris sie als angenommen darstellte. Die Wir- 
kung auf die Discussion des gesetzgebenden Körpers in Paris war also her- 
vorgebracht. Auch dießmal noch gelang es dem freundlichen, doch festen Worte 
des Großfürsten Statthalters den Erzbischof zu einer gerechteren Würdigung 
der Zurückhaltung, welche ihm der Charakter, mit dem er bekleidet sei und 
die Pflichten gegen seinen Herrscher auferlegten, zurückzuführen. Indessen 
wenige Tage später kannte ganz Warschau den Inhalt dieses Aussatzes, die 
fremde Presse gab mehrere Lesearten desselben; der Wortlaut selbst wurde zu- 
letzt der Oefsentlichkeit übergeben. Als Msgr. Felinski den an Se. Maj. den 
Kaiser gerichteten Brief vorlegte, war man gerade am Vorabend der beim 
französischen Senat angekündigten Discussionen wegen der Petitionen zu Gun- 
sten Polens. Man begreift daher den Einfluß, welchen ein so offenkundiger 
Beitritt des Erzbischofs von Warschau zum Programm der Actionsprrtei aus- 
üben mußte. Die Indiscretion, welche sie den Commentaren des Publikums 
überliefert, genau in dem Augenblick als die Mächte über die Repliken dis- 
cutiren, welche sie den Regressivnoten des kais. Cabinets machen wollten, war 
so berechnet, daß der ganze Erfolg, den man von einem solchen Schritt er- 
wartete, eintraf. Ohne zu prüfen, bis zu welchem Punkt das Verfahren des 
Msgr. Felinski sich mit seinen Pflichten als hoher geistlicher Würdenträger, 
der durch einen Treueschwur an den Herrscher gebunden und mit seinem per- 
sönlichen Vertrauen bekleidet war, vereinigen läßt, mußte das kais. Cabinet 
daraus schließen, daß dieser Prälat, indem er zwischen den Eingebungen seines 
Gewissens und äußern Antrieben schwankte, nicht mehr dem Zweck entspreche, 
welchen man durch seine Ernennung in einem schwierigen Augenblick, wo es 
darauf ankam, die moralische Autorität der. Religion von dem Standpunkt 
wieder zu erheben, auf welchen man sie hatte sinken lassen, indem man unter 
ihrem geheiligten Mantel die Berechnungen der politischen Leidenschaften ver- 
barg, hatte er#ichen wollen. Es ist augenscheinlich, daß diese Schwächen den 
Exzbischof der Gefahr aussetzten, unter den Händen einer Partei, welche ent- 
schlossen war, vor keinem Mittel zurückzuschrecken, ein um so gefährlicheres 
Instrument zu werden, als er aufrichtig und überzeugt war. Diese Betrach- 
tungen haben seine Berufung nach Rußland motivirt." 
(Litthauen). General Murawiew belegt die sämmtlichen lie- 
genden Güter des (polnischen) Adels der Provinz willkürlich mit 
einer Abgabe von 10 1 
„In Kenntniß gesetzt, daß meine Projecte, betreffend die Belastung der 
liegenden Güter des Adels mit einstweiliger zehnprocentiger Abgabe von dem 
von ihm selbst ermittelten und declarirten Ertrage des in ihrem Besitz sich 
befindenden Ackerlandes, die höhere Bestätigung erhalten haben, beauftrage ich 
Ew. Exc., um das Eintreiben der Abgabe vom grundbesitzenden Adel des 
Ihnen anvertrauten Guberniums desto leichter zu bewerkstelligen, unverzüglich 
entsprechende Anordnungen auf der Basis folgender Hauptprincipien zu treffen: 
1) Die Eintreibung der zehnprocentigen Abgabe kreisweise nach den zu diesem 
Zweck verfertigten Plänen, aus allen dem Adel gehörigen Gütern, und zwar 
durch die Kriegskreiscommissäre und die ihnen untergebene Landespolizei zu 
bewerkstelligen. 2) Zur Einbringung der von den Grundeigenthümern zu 
zahlenden Abgabe einen siebentägigen Termin zu bestimmen. Sollte irgend 
einer der Grundbesitzer in der bestimmten Zeit die von ihm zu zahlende Ab- 
17“
	        
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