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concentrirt, und den europäischen Charakter der Frage bil—
det, zwischen den Großmächten besteht. Wir mußten um so mehr die Auf—
merksamkeit der Regierung des Kaisers Napoleon diesem Gegenstande zuwenden,
als einer der Hauptherde dieser Aufregung sich in Paris selbst befindet. Mit
Benützung ihrer gesellschaftlichen Verbindungen hat die polnische Emigration daselbst
eine ausgedehnte Verschwörung organisirt, die einerseits den Zweck hat, durch
ein System beispielloser Schmähung und Verläumdung die öfsentliche Meinung
Frankreichs irre zu führen, andererseits, die Unordnungen in dem Königreiche
theils durch materielle Unterstützung, theils durch die Schreckensherrschaft eines ver-
borgenen Comité's, theils durch Verbreitung besonders der Ueberzeugung einer ac-
tiven Intervention von Außen zu Gunsten der unsinnigsten Bestrebungen des
Aufstandes, zu unterhalten.- Dieser Einfluß ist heutzutage die Hauptquelle einer
Aufregung, die ohne denselben bereits unter der Action der Gesetze, vor der
“* Gleichgültigkeit oder dem Widerwillen der großen Masse erloschen wäre. In
ihm muß man also die moralische Ursache der Verlängerung der peinlichen
Sachlage suchen, deren schleunige Beilegung die französische Regierung, wie
wir, so sehnlich im Namen des Friedens und der Menschlichkeit herbeiwünscht.
Wir geben uns gerne dem Glauben hin, daß sie keinen Mißbrauch ihres
Namens zum Vortheil der Revolution in Polen und Europa gestattet wird.
Diese Erwägungsgründe bestimmen den Charakter der von uns an das Tui-
leriencabinet gerichteten Einladung; sie bestimmen gleichfalls den Gegenstand
und die Tragweite des Ideenaustausches, zu dem wir dasselbe aufgefordert
haben. Wenn in einem Lande die Ordnung ernstlich gestört ist, so vermögen
die benachbarten Staaten nicht gleichgültig dabei zu bleiben, und die übrigen
Mächte können ohne Zweifel, im Hinblick auf die allgemeine Sicherheit, An-
theil daran nehmen. Aber ein positives Recht in dieser Beziehung läßt sich
nur auf die Bestimmungen der bestehenden Verträge begründen. Deshalb
müssen wir selbst aus dem freundlichen Ideenaustausche,
auf den wir uns einzulassen geneigt sind, jede Anspielung
auf Theile des russischen Reiches ausschließen, auf welche sich
keine Sonderbestimmung irgend einer internationalen Acte
anwenden läßt. . ..“
Antwort an Desterreich: „. . . In Bezug auf Berathungen in
Conferenz, an welchen alle Mächte, welche die Wiener Generalacte v. 27. Mai
(9. Juni) 1815 unterzeichnet haben, Theil nehmen würden . .. vermöchten
wir weder Opportunität noch praktischen Nutzen darin zu erkennen, daß ihrer
Berathung Fragen unterzogen würden, welche sich an das innerste Detail der
Verwaltung des Königreichs knüpfen würden. Keine Großmacht könnte auf
eine solche directe Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten eingehen. Die—
selbe liegt übrigens weder im Geiste, noch im Buchstaben der bestehenden Ver—
träge und würde das Ziel der Pacifikation, auf welches alle Wünsche und
Bemühungen der Mächte gerichtet sind, nur weiter hinausrücken, indem sie
die Anmaßungen der polnischen Agitatoren um eben so viel erhöhen, als das
Ansehen der souveränen Autorität verringern würde. Herr Graf v. Rechberg
hat, indem er seinen eventuellen Beitritt zu einer derartigen Combination von
der vorläufigen Zustimmung des kaiserlichen Cabinets abhängig machte, mit
einem von unserem erhabenen Gebieter vollkommen gewürdigten Billigkeits-
gefühle selbst die Unmöglichkeit geahnt, in welcher wir uns befänden, darauf
einzugehen. Wir erkennen mit Vergnügen in dieser Zurückhaltung einen Be-
weis der freundschaftlichen Gesinnungen des Wiener Cabinets und ein Zeugniß
der richtigen Würdigung der Situation von Seite des Herrn Grafen von
echberg.
15. Juli. Ein kaiserl. Decret ordnet für den November eine neue Recru-
tirung von 10 auf 1000 Seelen an.
18. , (Litthauen). Ein Decret Murawiews belobt die von ihm ins