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Ergänzungen. (England.)
des Auswärtigen eine lange Unterredung mit Hrn. v. Bismark gehabt. Ich
begann das Gespräch mit den Worten, daß J. Maj. geruht habe, mir eine
Sendung anzuvertrauen, deren Zweck das Bestreben sei, Mittel zu sinden,
um die Zerwürfnisse zwischen Deutschland und Dänemark beizulegen. Se. Exc.
könne sich daher versichert halten, daß ich nicht den Anwalt des einen oder
anderen Theiles spielen würde, aber ich müsse ihm rund heraussagen, wie
Ihrer Maj. Regierung überzeugt sei, daß, wenn Deutschland einerseits und
Dänemark andererseits entschlossen wären, von ihren Prätentionen nichts fah-
ren zu lassen, es unnütz sein würde, den Kriegsausbruch verhindern zu wollen.
Hr. v. Bismark erwiderte, er wünsche so lebhast, wie irgend Jemand, den
Frieden aufrechtzuerhalten, aber die Volksstimmung seiin ganz Deutsch-
land so heftig gegen Dänemark, daß es der preußischen Regierung un-
möglich sei, von Dänemark weniger als die vollständige Erfüllung seiner Ver-
sprechungen zu fordern. Die österreichische Regierung, sagte er, sehe die Sache
ebenso an, und die kleineren deutschen Regierungen seien noch weniger im
Stande, Zugeständnisse zu machen, da in den meisten kleineren Staaten eine
so starke Gesinnung in Bezug auf Schleswig-Holstein herrsche, daß die Für-
sten jener Staaten ihren Thron gefährden würden, wenn sie den Volkswunsch
bekämpfen wollten. Ich fragte, ob es mit den Principien, welche bisher die
Beziehungen der europäischen Staaten zu einander regiert hätten, überein-
stimme, daß zwei der Großmächte, die einen Vertrag mit den drei anderen
Großmächten eingegangen hätten, sich ohne Scheu weigerten, dem Vertrage
treu zu bleiben, weil der deutsche Bund demselben nicht beigetreten sei. Wenn,
sagte ich, Oesterreich und Preußen sich als Bundesmitglieder verpflichtet glaub-
ten, ihre Vertragsannahme von der des Bundes abhängig zu machen, so hät-
ten sie eine Erklärung in diesem Sinne abgeben sollen, als sie den Vertrag
unterzeichneten. Aber ich müsse jedenfalls fragen, aus welchen denkbaren
Gründen Oesterreich und Preußen sich weigern könnten, Christian IX. als
König von Dänemark anzuerkennen. Der Bundestag, dächte ich doch, dehne
seine Prätentionen nicht auf das Königreich aus, und wenn Christian IX.
nicht König sei, so möchte ich gern wissen, wen man als den König ansehen
solle. Ich stelle diese Frage, sagte ich, weil Ihrer Maj. Regierung erfahren
habe, daß der Gesandte, der abgeschickt worden, um die Thronbesteigung des
Königs anzuzeigen, in Wien nicht empfangen worden sei und, wie es scheine,
auch in Berlin nicht empfangen werden solle. Hr. v. Bismark sagte, er be-
daure sehr, daß der österreichische Hof den dänischen Gesandten nicht empfangen
habe; ohne die Weigerung Oesterreichs, glaube er, würde der König von
Preußen ihn empfangen haben, aber jetzt, fürchte er, werde dies unmöglich
sein, da der König von Preußen, wenn er in dieser Sache anders als Oester-
reich handelte, sich großer Unpopularität in Deutschland aussetzen
würde. Die österreichische Regierung, glaube er, gehe so weit, zu behaupten,
daß, wenn der Vertrag von 1852 fallen sollte, auch die Verzichtleistungen,
kraft deren Christian 1X. den Thron bestieg, ihre Giltigkeit verlieren würden,
da sie erfolgt waren, um die dänischen Lande als ein Ganzes zu bewahren,
und daß der Prinz von Augustenburg auf das Königreich Dänemark An-
sprüche besitze, die sodann giltig werden dürsten. Ich muß jedoch Hrn. von
Bismark die Gerechtigkeit widerfahren-lassen, zu sagen, daß er dieser Doktrin
nicht das Wort reden wollte. Wir gingen von diesem Theile des Thema's
auf die androhende Bundesexecution über. JIch fragte, aus welchem
Grunde die Execution jetzt stattfinden solle, nachdem Dänemark das Patent
vom 30. März zurückgenommen. Hr. v. Bismark erwiderte, die Executions-
gründe seien in einem Dekrete des Bundestags aus dem Jahre 1858 enthalten,
worin Dänemark aufgefordert ward, seine Verbindlichkeiten in Bezug auf die
Stellung Holsteins in der dänischen Verfassung zu erfüllen. Ich sagte, eine
Execution sei gewiß einer Occupation vorzuziehen, obwohl keine Execution
und keine Occupation besser gewesen wäre; aber jedenfalls, hoffe ich, daß beim