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Deutschland.
Karolyi dringend gebeten, demselben nach Kräften in Wien entgegenzutreten.
Ich habe hervorgehoben, daß schon im letzten italienischen Kriege das Bünd-
niß für Oesterreich nicht in dem Maße wirksam gewesen sei, wie es hätte der
Fall sein können, wenn beide Mächte sich nicht in den vorhergehenden acht
Jahren auf dem Gebiete der deutschen Politik in einer schließlich nur
für Dritte Vortheil bringenden Weise bekämpft und das gegenseitige
Vertrauen untergraben hätten. Dennoch seien damals in dem Umstande, daß
Preußen die Verlegenheiten Oesterreichs im Jahre 1859 nicht zum eigenen
Vortheil ausgebeutet, vielmehr zum Beistande Oesterreichs gerüstet habe, die
Nachwirkungen der früheren intimeren Verhältnisse unverkennbar gewesen.
Sollten aber letztere sich nicht neu anknüpfen und beleben lassen, so würde
unter ähnlichen Verhältnissen ein Bündniß Preußens mit einem Geg-
ner Oesterreichs eben so wenig ausgeschlossen sein, als, im entgegenge-
setzten Falle, eine treue und feste Verbindung beider deutschen Großmächte
gegen gemeinschaftliche Feinde. Ich wenigstens würde mich, wie ich dem Gra-
fen Karolyi nicht verhehlte, unter ähnlichen Umständen niemals dazu ent-
schließen können, meinem allergnädigsten Herrn zur Neutralität zu rathen;
Oesterreich habe die Wahl, seine gegenwärtige antipreußische Politik mit dem
Stützpunkte einer mittelstaatlichen Coalition fortzusetzen, oder eine ehrliche
Verbindung mit Preußen zu suchen. Zu letzterer zu gelangen, sei mein auf-
richtigster Wunsch. Dieselbe könne aber nur durch das Aufgeben der uns
feindlichen Thätigkeit Oesterreichs an den deutschen Höfen gewonnen werden.
Graf Karolyi erwiderte mir, daß es für das Kaiserhaus nicht thunlich sei,
seinen traditionellen Einflüssen auf die deutschen Regierungen zu entsagen.
Ich stellte die Existenz einer solchen Tradition mit dem Hinweis in Abrede,
daß Hannover und Hessen seit hundert Jahren vom Anbeginn des sieben-
jährigen Krieges vorwiegend den preußischen Einflüssen gefolgt seien, und daß
in der Epoche des Fürsten Metternich die genannten Staaten auch von Wien
aus im Interesse des Einverständnisses zwischen Preußen und Oesterreich aus-
drücklich in jene Richtung gewiesen worden seien, daß also die vermeintliche
Tradition des österreichischen Kaiserhauses erst seit dem Fürsten Schwarzen=
berg datire, und das System, welchem sie angehöre, sich bisher der Consoli-
dirung des deutschen Bündnisses nicht förderlich erwiesen habe. Ich hob her-
vor, daß ich bei meiner Ankunft in Frankfurt im Jahre 1851, nach eingehenden
Besprechungen mit dem damals auf dem Johannisberg wohnenden Fürsten
Metternich gehofft habe, Oesterreich selbst werde es als die Aufgabe einer
weisen Politik erkennen, uns im deutschen Bunde eine Stellung zu schaffen,
welche es für Preußen der Mühe werth mache, seine gesammte Kraft für ge-
meinschaftliche Zwecke einzusetzen. Statt dessen habe Oesterreich mit Erfolg
dahin gestrebt, uns unsere Stellung im deutschen Bunde zu verleiden und zu
erschweren, und uns thatsächlich auf das Bestreben nach anderweiten An-
lehnungen hinzuweisen. Die ganze Behandlungsweise Preußens von Seiten
des Wiener Cabinets scheine auf der Voraussetzung zu beruhen, daß wir mehr
als irgend ein anderer Staat auswärtigen Angriffen ausgesetzt seien, gegen
welche wir fremder Hilfe bedürfen, und daß wir uns deshalb von Seiten der
Staaten, von welchen wir solche Hilfe erwarten könnten, eine rücksichtslose
Behandlung gefallen lassen müßten. Die Aufgabe einer preußischen Regie-
rung, welcher die Interessen des königlichen Hauses und des eigenen Landes
am Herzen liegen, werde es daher sein, das Irrthümliche jener Voraussetzung
durch die That nachzuweisen, wenn man ihren Worten und Wünschen keine
Beachtung schenke.
„Unsere Unzufriedenheit mit der Lage der Dinge im deut-
schen Bunde erhielt in den letzten Monaten neue Nahrung durch die Ent-
schlossenheit, mit welcher die mit Oesterreich näher verbundenen deutschen Re-
gierungen in der Delegirtenfrage angriffsweise gegen Preußen vorgingen. Vor
1848 sei es unerhört gewesen, daß man am Bunde Fragen von irgend wel-