Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

Bewegung der Börsencurse im Jahre 1863. 
Indem die Börsen den politischen Ereignissen unterlagen, konnte der Verfolg 
den Erwartungen unmöglich entsprechen, denen man sich zu Anfang des Jahres hin- 
geben zu dürfen glaubte. Die Fortdauer des Bürgerkrieges in den Vereinigten Staa- 
ten, die polnische Insurrection zu Anfang und das plötzliche Auflodern der schleswig- 
holsteinischen Frage zu Ende des Jahres standen einem Ausschwunge der Kurse hin- 
dernd im Wege. 
Trotzdem, namentlich aber trotz dem andauernden Ausfall des amerikanischen 
Verkehrs nahmen — nach den Zusammenstellungen der Frkf. Handelsztg. — sowohl 
Industrie als Handel in England einen. erheblichen Ausschwung gegen die beiden 
Vorjahre. Die Ausfuhr betrug in den ersten 11 Monaten der Jahre 
1861 1862 1863 
415,355,004 Pf. St. 113,280,779 Pf. St. 132,135,168 Pf. St. 
In Lancalhire hat sich die Lage der arbeitenden Klassen wesentlich gebessert und die 
Krisis, welche diesen Landestheil seit dem Ausbruche des Bürgerkrieges in Amerika 
so schwer heimgesucht hatte, darf zur Zeit als wesentlich überwunden betrachtet wer- 
den. Die große Summe von Kapitalien, welche durch die Stockung in der Baum- 
wollindustrie flüssig geworden waren, spornten wie im Jahre 1862 so auch noch in 
der ersten Hälfte des Jahres 1863 den Unternehmungsgeist an. Der lang andauernde 
Geldüberfluß, der im vorhergehenden Jahre besonders in ausländischen Staatsanleihen 
einen Abzug gesucht hatte, rief in diesem Jahre vorzugsweise die Gründung von Actien- 
gesellschaften aller Art hervor, von denen jedoch nicht alle als solide Unternehmungen 
angesehen werden dürfen. Auch der Pariser Credit Mobilier, gegen den sich bisher England 
wie mit einer chinesischen Mauer abgeschlossen hatte, fand endlich das Zauberwort, welches 
ihm die Pforten der Londoner City öffnete und in den Monaten Mai und Juni herrschte 
vielfach ein gewaltiger Schwindel an der Stock-Exchange. Fremde Anlehen kamen 
verhältnißmäßig wenig an den englischen Markt. Außer der conföderirten Anleihe 
von 300,000 L., durch welche England seine Vorliebe für den Süden mit theurem 
Gelde bezahlen mußte, wurde eine Anleihe von Venezuela im Betrage von 1 Mill. 
Pfd., 3,300,000 Pfd. brasilianische und 2,100,000 portugiesische und verschiedene 
kleinere Anleihen mit gutem Erfolge aufgelegt. Von der großen italienischen Anleihe 
wurden in England starke Posten untergebracht. Das Börsenspiel warf sich indeß 
neben den Actien mehr auf ältere ausländische Obligationen und zwar ausschließlich 
auf solche, welche seit vielen Jahren keine Zinsen bezahlten, die aber irgend welche 
Anhaltspunkte für ein waghalsiges Spiel boten. So wurden griechische Obligationen, 
die vor der Entthronung des Königs Otto 5—6 standen, bis auf 40 getrieben, um 
bei Jahresschluß wieder auf 25 zu sinken. Mexicaner hielten mit den Fortschritten 
der französischen Expedition gleichen Schritt. Sie stiegen nach der Besitznahme der 
Stadt Mexico bis auf 48 und gingen wieder bis auf 32 zurück. Weniger große 
Schwankungen erfuhren spanische Passiven. Es konnte nicht fehlen, daß in Folge 
des unsinnigen Börsenspiels, welches den Sommer über in London getrieben wurde,
	        
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