382 Uebersicht der Ereignisse, des Lahres 1863.
Preufen, aller angedrohten Strafen, gestützt auf das, was sie für ihr wohlbegrün-
—
Deutsch-
land.
detes Recht hielten, Adressen beschlossen und Deputationen wählten, so
hätte sich ein Sturm herangewälzt, dem der König das Ministerium Bis-
marck vielleicht zum Opfer hätte bringen müssen. Einen Augenblick schien
eine solche Ausbreitung der Bewegung, eine solche Entschlossenheit der
Städtverordnetenversammlungen, ein solcher Adressensturm nicht unmöglich,
vielleicht sogar wahrscheinlich. Allein es ergab sich bald, daß es der Be-
wegung an Entschiedenheit wie an Nachhaltigkeit gebrach. Gegenüber dem
energischen Auftreten der Regierung gerieth sie sofort ins Stocken, Stadt-
verordnete und Magistrat von Berlin ergaben sich, eine von Breslau wirklich
abgegangene Deputation wurde weder vom König noch von den Ministern
empfangen und erhielt ihre Adresse uneröffnet zurück. Nachgerade fügten
sich alle und begnügten sich die einen zu protestiren, andere zu remonstri-
ren, noch andere die Adresse als Privatpersonen zu. unterzeichnen. Die
Protestation wurde indeß ad acta. gelegt, die Remonstrationen blieben un-
beachtet, die trotz allem eingegangenen Adressen gingen unbeantwortet aus
dem Cabinet des Königs an die Absender zurück. Das Ministerium hatte
im entscheidenden Moment die Oberhand behalten. Die Stimmung der Bewvöl-
kerung blieb freilich trotzddem im Osten wie im Westen der Monarchie immer
dieselbe und fand wiederholt einen bezeichnenden Ausdruck. Schon zu
Anfang Juni lehnte eine ganze Reihe von Städten der Provinz Preußen
bei Gelegenheit einer Rundreise des Kronprinzen es ab, denselben feierlich
zu empfangen; dasselbe geschah später in der Neumark den Prinzen
Albrecht und Friedrich Karl und im Herbst bei Gelegenheit der Manöver
selbst dem Könige gegenüber. Der Kronprinz fühlte sich von der allge-
meinen Stimmung so überrascht und ergriffen, daß er sich in. Königsberg
zu der unumwundenen Erklärung bewogen fand, er habe an den letzten
Maßregeln der Regierung keinen Theil und nicht dazu. gerathen. Die
Erklärung deutete auf die Schwierigkeiten hin, mit denen das Ministerium
Bismarck selbst bis in den Schooß der königlichen Familie hinein zu
kämpfen hatte, blieb aber natürlicher Weise zunächst ohne praktische Con-
sequenz. "
Vorerst stand das Ministerium nicht bloß den innern Schwierigkei-
ten gegenüber fest, sondern auch den äußeren. Nicht die mindesten von
diesen bereiteten ihm die deutschen Verhältnisse. Von „moralischen Er-
oberungen“ war keine Rede mehr, Preußen hatte sich vielmehr in steigen-
dem Maße der Coalition Oesterreichs und der mittelstaatlichen Regierun-