Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

384 Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1863. 
Deutfs- Wünsche des überwiegenden Theiles ihrer Bevölkerungen den ganzen Ver- 
trag verworfen, ohne nur zugleich ihre Forderungen, wie Baden verlangt 
hatte, genau präcisiren zu können, aus dem einfachen Grunde, weil sie 
nicht wußten, wie weit Oesterreich, um seinen Eintritt in den Zollverein 
zu ermöglichen, von seiner schutzzöllnerischen Basis aus Concessionen zu 
machen geneigt oder im Stande sein würde. Die Stellung der mittel- 
staatlichen Regierungen war darum auch eine sehr schwierige, da sie es 
mit Rücksicht auf ihre Bevölkerungen entschieden nicht wagen durften, ihre 
Opposition gegen Preußen und ihre Zuneigung für Oesterreich bis zu einer 
Sprengung des Zollvereins zu treiben. Am weitesten durfte sich Bayern 
vorwagen. Allein umsonst drang es in der Generalconferenz der Zollver- 
einsstaaten zu München im Frühjahr 1863 darauf, daß Oesterreich auf 
seine Propositionen vom 10. Juli v. J. wenigstens eine erste allgemeine 
Antwort ertheilt werde und zwar dahin, daß die Verhandlungen über 
Fortsetzung und Erweiterung des Vertrags mit Oesterreich vom Jahre 
1853 gleichzeitig mit den Verhandlungen über die Erneuerung der Zoll- 
vereinsverträge würden eröffnet werden; umsonst schlug es seinen näheren 
Verbündeten im Juni die Erneuerung der Zollvereinsverträge auf der bis- 
herigen Grundlage eventuell ohne Preußen vor: die Generalconferenz 
schloß im Juli ihre Berathungen, ohne daß Oesterreich auf seine Pro- 
positionen geantwortet worden wäre; Sachsen hatte sogar eine Gelegenheit 
ergriffen, um im Voraus zu erklären, daß es an einem Zoll-Sonderbund 
keinen Antheil nehmen werde. Als darauf Preußen zu einer weiteren 
Generalconferenz in Berlin einlud, um über die Erneuerung der Zollver-- 
einsverträge zu berathen, veranstaltete Bayern noch vorher den Zusammen- 
tritt einer Conferenz derjenigen Staaten, die den Handelsvertrag mit 
Frankreich verworfen hatten, setzte aber nichts anderes durch, als den Be- 
schluß, daß dem Antrage Preußens auf Genehmigung des Handelsvertrags mir 
Frankreich derjenige auf sofortige Eröffnung von Unterhandlungen mit Oester- 
reich entgegen gesetzt werden solle. Im November trat die Berliner Zollconferenz 
wirklich zusammen und da zuerst die Tariffrage in Behandlung genommen 
wurde, ergab es sich neuerdings, daß die Interessen dießfalls und zwar 
im Sinne einer entschiedenen Reduction der bisherigen Ansätze nicht all- 
zu weit auseinandergingen; allein sobald die Conferenz zur Frage des Han- 
delsvertrags mit Frankreich als der von Preußen für die Erneuerung der 
Zollvereinsverträge geforderten Grundlage überging, hörte die Verständi- 
gung auf und stockten die Verhandlungen, so daß Preußen sich veranlaßt
	        
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