Frank-
reich.
394 ebersicht der Ereignisse des Kahres 1863.
Der Wunsch wie die Sorge des Kaisers lag nahe genug. In der
öffentlichen Meinung Frankreichs war in den letzten Jahren ein entschie-
dener Umschwung eingetreten. Nachdem das Kaiserreich dem allgemeinen
Gefühl der Unsicherheit und der völlig ungewissen Zukunft, der das Land
entgegen trieb, ein Ende gemacht und eine feste Ordnung gegründet hatte,
ergab sich die Nation, nur um die „Ordnung“ nicht zu gefährden, fast
willenlos in das eiserne Regiment, das dem französischen Namen wieder
das alte Uebergewicht in Europa verschaffte und unter dessen Schutz Handel
und Industrie einen allgemeinen Aufschwung nahmen. Paris wurde durch
ungeheure Bauten eine ganz neue Stadt und eine Zeitlang schien cs, als
ob seine Bevölkerung, die so oft Regierungen erhoben und wieder ge-
stürzt hatte, alles andere vergessen habe, um nur nach Geld und Luxus zu
jagen. Allmählig jedoch hatte sich eine andere Strömung bemerkbar ge-
macht und drohte immer mächtiger anzuschwellen. Während Frankreich
fort und fort an der Spitze der Cirilisation stehen wollte und in
seiner auswärtigen Politik es überall als seine Aufgabe betrachtete, die
Ideen der Zeit zur Geltung zu bringen und den Völkern in ihrem be-
rechtigten Widerstand gegen Unterdrückung einec hülfreiche Hand zu bieten,
hatten die Franzosen selbst alle politischen Freiheiten zum Vortheil der
Gewalt eingebüßt und waren zu willenlosen Werkzeugen eines einzigen
Mannes geworden. Satt der „Ordnung“ und übersättigt davon begann wie-
der der Drang nach Freiheit sich geltend zu machen. Von allen Seiten
eingeengt und zurückgedrängt und dem Kaiser nur langsam einige wenige
Concessionen abringend, mochte sich dieser Drang wenigstens bei den Wah-
len zum gesetzgebenden Körper geltend machen. Am 8. Mai erfolgte der
Schluß der Session und um der Wahlagitation so enge Schranken wie
möglich zu ziehen, wurden die Neuwahlen schon auf Ende desselben Mo-
nats angesetzt. Trotzdem brachte das Resultat den in den Gemüthern
eingetretenen Umschwung zu vollem Ausdruck. Wohl sicherte das allge-
meine Stimmrecht, die Unterstützung der weit überwiegenden Mehrheit
des Klerus und ein ohne allen Rückhalt und ohne alles Maaß geübter
Einfluß der Gewalt im Interesse der offiziellen Candidaturen der Regie-
rung auf dem flachen Lande und in der Mehrzahl der kleineren und mitt-
leren Städte das unbedingte Uebergewicht. Allein anders in Paris und
in den übrigen großen Städten des Landes. Umsonst schleuderte Persigny,
der Minister des Innern, ein Manifest gegen die „alten Parteien“, die
„zum ersten Mal seit dem Bestehen des Kaiserreichs es wagten, die