Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

Deutschland.  37 
Recht unseres Landes, zu welchem auch die Mitwirkung und Gutheißung 
der Bundesversammlung eine Befugniß nach unzweifelhaften Bestimmungen 
der Bundes= und Landesverfassung nicht ertheilen konnte. Alle späteren Be- 
schlüsse der Ständeversammlung über die Verfassung, die Gesetzgebung und 
die Finanzen leiden durch die rechtlichen Mängel einer solchen Grundlage. 
Die Unsicherheit des Rechtes, welche durch diese einseitigen Eingriffe in das 
gesammte Verfassungsleben gebracht ist, ist in ihren Folgen für das Rechts- 
bewußtsein im Lande und für die Entwicklung unserer öffentlichen Verhält- 
nisse von der verderblichsten Wirkung. 
   „Unser Land hängt mit Liebe an den Grundsätzen der Verfassung vom 
5. September 1848. Nach der strengen Regel des Rechtes könnten sie, 
als in giltiger, verfassungsmäßiger Weise niemals aufgehoben, noch heute als 
zu Recht bestehend angesehen werden. Sollte es also dem neuen Ministerium 
nicht gelingen, unter Mitwirkung der jetzt zusammentretenden Kammern in 
den Hauptpunkten die beseitigten Bestimmungen der Verfassung und Gesetz- 
gebung aus den Jahren 1848 bis 1855 wieder herzustellen und damit den 
Frieden und einen allgemein anerkannten Rechtszustand im Lande zurück- 
zuführen, so ist die Gefahr nicht gering, daß die Rechtsunsicherheit und die 
Verfassungsconflicte sich unabsehbar fortpflanzen; und die Möglichkeit tritt 
heran, daß bei irgend einer Gelegenheit das Land und seine Vertreter sich 
veranlaßt sehen, unter Beseitigung des jetzigen Zustandes ein- 
fach auf das formell nicht aufgehobene Recht von 1848 zu- 
 
rückzugehen . . .  " 
15. Mai. (Hessen -Darmstadt). Die II. Kammer tritt in dem 
 
 
 
  
Conflict mit der Regierung über die Verbindlichkeit der auf früheren 
Landtagen vereinbarten, jedoch nicht in Gesetzesform veröffentlichten 
Besoldungs= und Personaletats der einzelnen Staatsämter (des 
sog. firen Etats) einstimmig dem vermittelnden Antrage bei, „die 
Regierung zu ersuchen, daß solche unverzüglich zu einer Revision 
der dermaligen Personal= und Besoldungsetats der Civilbehörden 
im Geiste größerer Vereinfachung und der Ersparung die geeigneten 
Einleitungen treffe und den Ständen darüber jedenfalls für die 
nächste Finanzperiode, in Betreff der Gesandtschaften jedoch schon 
für diese Periode, die geeignete Vorlage mache.“ Die Regierung 
läßt die Erklärung ertheilen, sie „befürworte eine Organisation 
des Bundes, welche gestatte, das active Gesandtschaftsrecht auf die 
Bundescentralbehörde zu übertragen.“ 
,,   ,,   (Holstein). Das Magistratsgericht in Kiel und das Ober- 
gericht in Glückstadt lehnen die ihnen zugemuthete Verfolgung wegen 
Theilnahme an den stattgefundenen politischen Versammlungen ab. 
25.   ,,   Ansprache des Ausschusses des Nationalvereins an die Mitglieder 
derselben: 
   „Der verhängnißvolle Ernst der politischen Lage hat den Ausschuß bei 
seiner diesmaligen Zusammenkunft zu eingehenden Besprechungen aufgefordert. 
Indem wir von dem Ergebniß derselben den Vereinsmitgliedern Rechenschaft 
ablegen, vertrauen wir auf ihre Uebereinstimmung und fordern sie auf, die 
Gesinnung, zu der sie sich mit uns bekennen, in den besonderen Kreisen ihrer 
politischen Thätigkeit bei jedem Anlaß zur Geltung zu bringen. 
   „Durch die Stellung der preußischen Regierung zu dem Aufstand 
in Polen, durch den Abschluß der Convention mit Rußland, durch den ge- 
hässigen Vollzug unmenschlicher Auslieferungsverträge, durch ein heraus-
	        
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