Deutschland. 37
Recht unseres Landes, zu welchem auch die Mitwirkung und Gutheißung
der Bundesversammlung eine Befugniß nach unzweifelhaften Bestimmungen
der Bundes= und Landesverfassung nicht ertheilen konnte. Alle späteren Be-
schlüsse der Ständeversammlung über die Verfassung, die Gesetzgebung und
die Finanzen leiden durch die rechtlichen Mängel einer solchen Grundlage.
Die Unsicherheit des Rechtes, welche durch diese einseitigen Eingriffe in das
gesammte Verfassungsleben gebracht ist, ist in ihren Folgen für das Rechts-
bewußtsein im Lande und für die Entwicklung unserer öffentlichen Verhält-
nisse von der verderblichsten Wirkung.
„Unser Land hängt mit Liebe an den Grundsätzen der Verfassung vom
5. September 1848. Nach der strengen Regel des Rechtes könnten sie,
als in giltiger, verfassungsmäßiger Weise niemals aufgehoben, noch heute als
zu Recht bestehend angesehen werden. Sollte es also dem neuen Ministerium
nicht gelingen, unter Mitwirkung der jetzt zusammentretenden Kammern in
den Hauptpunkten die beseitigten Bestimmungen der Verfassung und Gesetz-
gebung aus den Jahren 1848 bis 1855 wieder herzustellen und damit den
Frieden und einen allgemein anerkannten Rechtszustand im Lande zurück-
zuführen, so ist die Gefahr nicht gering, daß die Rechtsunsicherheit und die
Verfassungsconflicte sich unabsehbar fortpflanzen; und die Möglichkeit tritt
heran, daß bei irgend einer Gelegenheit das Land und seine Vertreter sich
veranlaßt sehen, unter Beseitigung des jetzigen Zustandes ein-
fach auf das formell nicht aufgehobene Recht von 1848 zu-
rückzugehen . . . "
15. Mai. (Hessen -Darmstadt). Die II. Kammer tritt in dem
Conflict mit der Regierung über die Verbindlichkeit der auf früheren
Landtagen vereinbarten, jedoch nicht in Gesetzesform veröffentlichten
Besoldungs= und Personaletats der einzelnen Staatsämter (des
sog. firen Etats) einstimmig dem vermittelnden Antrage bei, „die
Regierung zu ersuchen, daß solche unverzüglich zu einer Revision
der dermaligen Personal= und Besoldungsetats der Civilbehörden
im Geiste größerer Vereinfachung und der Ersparung die geeigneten
Einleitungen treffe und den Ständen darüber jedenfalls für die
nächste Finanzperiode, in Betreff der Gesandtschaften jedoch schon
für diese Periode, die geeignete Vorlage mache.“ Die Regierung
läßt die Erklärung ertheilen, sie „befürworte eine Organisation
des Bundes, welche gestatte, das active Gesandtschaftsrecht auf die
Bundescentralbehörde zu übertragen.“
,, ,, (Holstein). Das Magistratsgericht in Kiel und das Ober-
gericht in Glückstadt lehnen die ihnen zugemuthete Verfolgung wegen
Theilnahme an den stattgefundenen politischen Versammlungen ab.
25. ,, Ansprache des Ausschusses des Nationalvereins an die Mitglieder
derselben:
„Der verhängnißvolle Ernst der politischen Lage hat den Ausschuß bei
seiner diesmaligen Zusammenkunft zu eingehenden Besprechungen aufgefordert.
Indem wir von dem Ergebniß derselben den Vereinsmitgliedern Rechenschaft
ablegen, vertrauen wir auf ihre Uebereinstimmung und fordern sie auf, die
Gesinnung, zu der sie sich mit uns bekennen, in den besonderen Kreisen ihrer
politischen Thätigkeit bei jedem Anlaß zur Geltung zu bringen.
„Durch die Stellung der preußischen Regierung zu dem Aufstand
in Polen, durch den Abschluß der Convention mit Rußland, durch den ge-
hässigen Vollzug unmenschlicher Auslieferungsverträge, durch ein heraus-