Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

416 Uebersicht der Ereignisse des Lahres 1863. 
Preußen. Schleswig-Holstein auch Preußen ergriffen und schon am 23. November 
Oester- 
reich, 
brachten die Abgeordneten Stavenhagen und Virchow Namens der beiden 
großen Factionen des Abgeordnetenhauses den Antrag auf eine dießfällige 
Resolution im Hause ein: nach zweitägiger Debatte sprach sich dasselbe 
wirklich mit 231 gegen 63 Stimmen für die Anerkennung des Prinzen 
von Augustenburg als Herzogs von Schleswig-Holstein aus und erklärte 
es für ein Gebot der Ehre und des Interesses sämmtlicher deutschen Staa- 
ten, ihm in der Geltendmachung seiner Rechte wirksamen Beistand zu 
leisten. Wenn somit Preußen auf die Wünsche seines Volkes Rücksicht 
nehmen wollte, so war ihm der Weg, den es in dieser Angelegenheit ein- 
zuschlagen hatte, klar genug vorgezeichnet. Die ganze Stellung jedoch, 
welche das Regiment des Hrn. v. Bismarck zu den innern Parteikämpfen 
in Preußen eingenommen hatte, konnten von vorn herein kaum einen Zweifel 
darüber lassen, daß ihm die schleswig-holstein'sche Verwickelung zwar viel- 
leicht ganz gelegen gekommen sei, aber nur als Verwickelung und nicht 
um die Frage als eine deutsche zu lösen, sondern lediglich um sie zu be- 
nützen, wenn sie ihm die Gelegenheit bicten sollte, den inneren preußischen 
Zuständen dadurch eine andere Wendung zu geben. Dazu hatte er schon 
zu. Anfang des Jahres die polnische Insurrection benützen wollen, allein 
die Haltung Frankreichs hatte ihm den Faden kurz abgeschnitten. Mit 
Vorsicht in die Hand genommen, mochte die dänische Frage eher zum Siele 
führen. Allein um dahin zu gelangen, stand es von seinem Standpunkte 
aus von vornherein fest, daß eine Lösung gesucht werden müsse, die zu- 
gleich eine Niederlage der ihm gegenüberstehenden Majorität des Abgeord- 
netenhauses und wo immer möglich einen, speziellen Vortheil für Preußen 
in sich schlösse. Daran, sich der deutschen Bewegung anzuschließen oder 
sich an die Spitze derselben zu stellen, dachte Herr von Bismarck nicht 
einen Augenblick, konnte auch in der That nach der ganzen Stellung, 
welche er gegenüber Deutschland wie gegenüber der Volksvertretung seines 
eigenen Landes eingenommen hatte, nicht daran denken. 
Noch weniger war im Grunde von Oesterreich zu erwarten. Seine 
Regierung liebt es zwar, gelegentlich ihre deutschen Gesinnungen hervor- 
zuheben und scheinbar einen großen Eifer für die Interessen Deutschlands 
an den Tag zu legen und ihre Freunde im Reich geben sich eine aner- 
kennenswerthe Mühe, sie beim Worte zu nehmen und den Schein wo 
möglich zur Wahrheit zu machen. Allein will man unbefangen sein, so 
muß man gestehen, daß das deutsche Interesse in Wien nur von unterge-
	        
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