Schweiz.
Belgien.
Holland.
431 Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1863.
überaus glückliche Gleichgewicht, das die Bundesverfassung zwischen den
gemeinsamen Angelegenheiten und dem berechtigten Einzelleben jedes ein-
zelnen Kantons hergestellt hatte, sicherte der Schweiz fortwährend die
Achtung des Auslandes und die freieste Entwickelung im Innern. Mit
Eifer pflegte sie die Ausbildung ihres vortrefflichen Milizsystems, das
nicht blos für passend und zureichend erachtet wird, um der neutralen
Alpenrepublik selbst im Falle eines allgemeinen Kriegs wirksamen Schutz
zu sichern, sondern dem auch, mit den für andere Verhältnisse nöthigen
Modificationen, noch eine größere Zukunft bestimmt zu sein scheint. Eine
Reihe von Kantonen bemühte sich wiederum die Bestimmungen ihrer Ver-
fassung mit den Bedürfnissen und den Anschauungen ihrer Bevölkerungen
sortwährend in Uebereinstimmung zu erhalten. Lassen sich auch die Vor-
theile davon nach der einen Seite nicht verkennen, so verliert sich dagegen,
wenn dieses Streben, wie es in der Schweiz vielfach der Fall zu sein scheint,
in ein wahres Revisionsfieber ausartet, jene Stätigkeit und Festigkeit
der politischen Grundlinien, die für die Entwickelung im Großen nicht
minder wichtig ist. In Belgien hielten sich die beiden großen Parteien
des Landes, die liberale und die clericale Parlei, fortwährend in einer Weise
die Waage, die zwar jedem Einzelnen die volle Freiheit der Entwickelung
sichert, aber derjenigen des Ganzen, sofern sie die Mitwirkung aller Kräfte
in Anspruch nimmt, nicht förderlich sein kann. Noch hielt sich vorerst die
liberale Partei am Ruder, jedoch nur mit Mühe. Bei der Erneuerung
der Hälfte der Mitglieder der Kammern im Juni verlor die ohnehin
schwache Majorikät im Repräsentantenhaus wieder einige Stimmen und
die im December erfolgte Anullirung der Wahlen in Brügge sollte sie
später völlig in Frage stellen. Die Agitation Antwerpens gegen, den
Festungsgürtel, in den es sich mehr und mehr eingezwängt fühlte, kam auch
im Laufe des Jahres 1863 nicht zur Ruhe. Der König, die Regierung
und die Mehrheit der Kammern blieben indessen fest und der allgemeine
Zustand Europa's am Schlusse des Jahres war in der That nicht ge-
eignet, auf ein System zu verzichten, das für den Fall einer allgemeinen
Konflagration dem Lande allein die Aufrechthaltung seiner Unabhängigkeit
zu sichern schien. In Holland war das liberale Ministerium Thorbecke
mit Umsicht aber zugleich mit Entschiedenheit bemüht, die verfassungs-
mäßigen Zustände nach den Bedürfnissen der Zeit weiter auszubilden:
die Reform der Colonialverwaltung wurde in diesem Jahre beschlossen
und die Unterstellung des so wichtigen Colonialbudgets unter die Con-