50 Deutschland.
gegenüber der schon dem Begriffe nach durch dasselbe beschränkten Souveränetät
der Einzelstaaten mit erhoͤhter Kraft und Wirksamkeit ausgestattet werde.
Der deutsche Bund ist als ein Bund der Fürsten geschlossen, er ist aber auch
ausdrücklich als das an die Stelle des vormaligen Reiches getretene National-
band der Deutschen anerkannt, und er wird sich künftig, um den Bedürf-
nissen unserer Epoche zu entsprechen, mit Nothwendigkeit schon durch den
Charakter seiner Verfassungsformen der Welt als ein Bund der deutschen
Staaten als solcher, der Fürsten wie der Völker darstellen müssen. Der
Kaiser erblickt daher in der Kräftigung der Executivgewalt des Bundes und
in der Berufung der constitutionellen Körperschaften der Einzelstaaten zur
Theilnahme an der Bundesgesetzgebung zwei in gleichem Grade unabweis-
bare und sich zugleich gegenseitig bedingende Aufgaben. Dieser Ueberzeugung
hat die Regierung des Kaisers schon durch die Note an den Grafen v. Bernstorff
vom 2. Februar 1862, dann wieder durch die oben erwähnte Erklärung in
der Bundestagssitzung vom 22. Januar des gegenwärtigen Jahres Ausdruck
verliehen.
„Die Grundlinien für ihren Reformplan sind somit bereits ge—
zeichnet. Sie wird die Errichtung eines Bundesdirectoriums und die periodische
Einberufung einer Versammlung von Abgeordneten der Vertretungskörper der
Einzelstaaten in Vorschlag bringen. Nicht verkennend, daß es starker Gegen-
gewichte bedarf, um gegenüber dieser letzteren Einrichtung das monarchische
Princip und die berechtigte Selbständigkeit der Einzelstaaten gegen mögliche
Uebergriffe sicher zu stellen, neigt sie sich zugleich zu dem Gedanken, daß
die beste Garantie dieser Art und ein werthvolles Mittel zur Wahrung
der fürstlichen Rechte und der hohen Stellung der deutschen Dynastien in
periodischen persönlichen Vereinigungen der Souveräne Deutschlands gefunden
werden könnte. Auf den Vorschlag der Errichtung eines Bundesgerichtes
endlich wird sie unter angemessenen Modificationen gleichfalls zurückkommen.
Dies sind in den wesentlichsten Umrissen die Absichten des Kaisers in Bezug
auf die Grundlagen einer heilsamen Lösung dieser ernsten Frage.
„Was aber die Mittel und Wege betrifft, um eine Verständigung der
deutschen Regierungen über die Frage der Bundesverfassung herbeizuführen,
so begründet mehr als Eine Erfahrung die Besorgniß, daß es weder schrift-
lichen Unterhandlungen der Cabinette, noch auch Conferenzen der Minister
gegeben sein würde, die zahlreichen Schwierigkeiten dieses Unternehmens zu
bemeistern. Die Frage der Reform berührt so vielfache Interessen, sie er-
öffnet das Feld der Discussion für so mannigfaltige unvereinbare Wünsche
und Meinungen, daß die Summe der hemmenden und störenden Momente,
der ängstlichen Zweifel, der unlösbaren Widersprüche leicht in das Unendliche
anwachsen und jede Hoffnung auf Erfolg überwuchern würde, wenn man
bloßen Unterhändlern, die kein eigenes freies Verfügungsrecht zur Berathung
mitbrächten, den Sieg über alle jene Hindernisse und das Gelingen der
Einigung erwarten wollte. Die deutschen Fürsten aber in eigener Person,
die Träger der Rechte, um die es sich handelt, die höchsten Interessenten an
Deutschlands Sicherheit und Wohlfahrt, von deutscher Gesinnung sämmtlich
beseelt, werden sich durch unmittelbaren Gedankenaustausch leichter und besser
als durch Mittelspersonen über die große Aufgabe verstehen. Im Geiste des
Kaisers ist daher der Entschluß gereift, die Fürsten Deutschlands und die
Magistrate der Freien Städte zum Zwecke eines Einverständnisses über die
Reorganisation des deutschen Bundes zu einer Zusammenkunft einzuladen,
und der Kaiser eröffnet diese Absicht vor allen Andern dem mächtigsten Seiner
deutschen Bundesgenossen, dem Könige von Preußen.
III. „Ohne Preußens bundesfreundliche Mitwirkung gibt es für die Aufgabe
der Reorganisation des Bundes keinen definitiven Abschluß. Die preußischen
Bundeslande umfassen ein Drittheil der deutschen Bevölkerung, sie erstrecken
sich von den östlichen zu den westlichen Grenzen Deutschlands, die Bundes-