Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

 
54          Deutschland. 
kleinern haben sich sämmtliche Fürsten Deutschlands eingefunden. 
Erösfnungsrede des Kaisers, Antwort des Königs von Bayern. 
Oesterreich legt den vollständig ausgearbeiteten Entwurf einer 
Bundesreformacte vor. Die Fürsten beschließen, an den König von 
Preußen eine Collectiveinladung zur Theilnahme zu richten. Der 
König von Sachsen übernimmt es, dieselbe persönlich nach Baden- 
Baden zu überbringen.  
    Eröffnungsrede des Kaisers von Oesterreich: „ . . . Meine 
Vorschläge sind ohne Zweifel der Vervollkommnung fähig. Ich bin der erste, 
es anzuerkennen. Allein Ich gebe Meinen erhabenen Verbündeten zu be- 
denken, ob es in Unserm gemeinsamen Interesse liege, um der möglichen Ver- 
besserungen willen die Annahme des Plans, der jedenfalls im Vergleich mit 
dem gegenwärtigen Zustand einen hohen Gewinn für Deutschland in sich 
schließt, auch nur um eine kurze Frist zu verzögern. In der vorge- 
schlagenen Reformacte selbst sind die nöthigen verfassungsmäßigen Mittel dar- 
geboten, um in gesetzlich geregeltem Gang mit sicherer Hand die Mängel des 
ursprünglichen Werks zu beseitigen, und die Verfassungszustände des Bundes 
in immer vollständigeren Einklang mit allen begründeten Anforderungen zu 
setzen. Nicht in der Eröffnung weitaussehender Berathungen, 
sondern nur in einem raschen und einmüthigen Entschlusse 
der deutschen Fürsten, vor deren hochsinniger Hingebung an die gemeinsame 
große Sache untergeordnete Rücksichten als bedeutungslos zurücktreten, vermag 
Ich die Möglichkeit zu erblicken, festen Boden in der Frage der Zurunft 
Deutschlands zu gewinnen 
     Antwort des Königs von Bayern: „ . . . Die Uebereinstimmung 
im Ziel und Streben Uns bewußt, haben wir Uns versammelt, ohne im ein- 
zelnen die Vorschläge zu kennen, welche Ew. kais. Majestät Unserer gemein- 
schaftlichen Berathung zu übergeben beabsichtigen. . . In diesem Geist werde 
Ich die Vorschläge Ew. kais. Majestät in die gewissenhafteste Erwägung 
nehmen und Mich darüber aussprechen, und Ich glaube hiermit der gleichen 
Gesinnung aller hier vereinigten Bundesgenossen Ausdruck geliehen zu haben. 
Ew. kais. Maj. hat es selbst ausgesprochen, daß die Vorschläge der Vervoll- 
kommnung fähig sind, und so lebhaft Ich auch den Wunsch theile, daß die 
Grundzüge dos Reformplanes ohne weitaussehende Berathungen eine rasche 
und einmüthige Billigung finden mögen, und daß der Nation so nach alter 
deutscher Sitte die Bahn der Entwicklung durch ihre Fürsten selbst geöffnet 
werde, so wenig möchte Ich es doch ausschließen, daß schon aus diesem Unse- 
rem ersten Zusammentritt einzelne Modificationen jener Grundzüge her- 
vorgehen könnten, zumal etwa solche, welche die rasche Einigung zu fördern 
und zur segensreichen That des freien Entschlusses zu gestalten vermögen. . ." 
      Oesterreichischer Entwurf einer Reformacte des deutschen' 
Bundes: 
     Abschnitt I. Allgemeine Verfügungen. Art. 1. Erweiterung des 
Bundeszwecks. Die Zwecke des deutschen Bundes sind: Wahrung der Sicherheit 
und Machtstellung Deutschlands nach außen, Wahrung der öffentlichen Ordnung 
im Innern, Förderung der Wohlfahrt der deutschen Nation und Vertretung 
ihrer gemeinsamen Anliegen, Schutz der Unverletzbarkeit und verfassungs- 
mäßigen Unabhängigkeit der einzelnen deutschen Staaten, Schutz des öffentlichen 
Rechtszustands in denselben, Gemeinsamkeit der Gesetzgebung im Bereich der dem 
Bunde verfassungsmäßig zugewiesenen Angelegenheiten, Erleichterung der Ein- 
führung allgemeiner deutscher Gesetze und Einrichtungen im Bereich der gesetzgeben- 
den Gewalt der einzelnen Staaten. Art. 2. Neue Organe des Bundes. 
Die Leitung der Bundesangelegenheiten wird von den souveränen Fürsten und 
freien Städten Deutschlands einem aus ihrer Mitte hervorgehenden Directo-
	        
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