Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

 
56     Deutschland. 
Frankfurt am Main. Art. 6. Allgemeiner Grundsatz, betr. die 
Befugnisse des Directoriums und Bundesraths. Die voll- 
ziehende Gewalt des Bundes wird durch das Directorium ausgeübt. Das 
Directorium kann sich bei Ausübung dieser Gewalt des Beiraths des Bundes- 
raths bedienen, ist aber an dessen Beschlüsse nur in den Fällen gebunden, für 
welche die nachfolgenden Artikel dieß ausdrücklich vorschreiben. In den An- 
gelegenheiten der Bundesgesetzgebung vertritt das Dirxectorium die Gesammt- 
heit der Bundesregierungen auf Grund der Beschlüsse des Bundesraths, be- 
ziehungsweise der Fürstenversammlung. Art. 7. Auswärtige Verhält- 
nisse. Die völkerrechtliche Vertretung des Bundes in seiner Eigenschaft als 
Gesammtmacht steht dem Directorium zu. Der präsidirende Directorialbevoll= 
mächtigte nimmt die Beglaubigungs= und Abberufungsschreiben der fremden 
diplomatischen Agenten entgegen. Er vermittelt den schriftlichen und münd- 
lichen Verkehr mit denselben auf Grund der Beschlüsse des Directoriums und 
in dessen Namen. Das Directorium hat das Recht zum Zweck der Unter- 
handlung über Gegenstände der Bundesthätigkeit diplomatische Agenten jedes 
Ranges bei auswärtigen Staaten zu beglaubigen. Die Beglaubigungs= und 
Abberufungsschreiben dieser Agenten, sowie die ihnen zugehenden Instructionen 
werden von dem präsidirenden Directorialbevollmächtigten im Namen und 
Auftrag des Directoriums vollzogen. Verträge mit auswärtigen Staaten 
über Gegenstände der Bundesthätigkeit können von dem Directorium nur mit 
Zustimmung der Fürstenversemmlung, oder, wenn diese nicht vereinigt ist, 
mit Zustimmung des Bundesraths ratificirt werden. Sofern solche Verträge 
den Bereich der Bundesgesetzzgebung berühren, kann deren Ratification nur 
mit Vorbehalt der Zustimmung der Versammlung der Bundesabgeordneten 
erfolgen. Art. 8. Krieg und Frieden. Dem Directorium liegt die Sorge 
für die äußere Sicherheit Deutschlands ob. Ergibt sich die Gefahr eines feind- 
lichen Angriffs auf den Bund oder einen einzelnen Theil des Bundesgebiets, 
oder wird das europäische Gleichgewicht in einer für die Sicherheit des Bun- 
des bedrohlichen Weise gefährdet, so hat das Directorium alle durch die Um- 
stände erforderten militärischen Vorsichts= und Vorbereitungsmaßregeln anzu- 
ordnen. Es übt zu diesem Zweck sämmtliche nach der Bundeskriegsver-  
fassung dem Bund zustehende Befugnisse aus. Insbesondere kommt es ihm 
zu, die Kriegsbereitschaft und Mobilmachung des Bundesheeres oder einzel- 
ner Contingente desselben zu beschließen, für die rechtzeitige Instandsetzung 
der Bundesfestungen zu sorgen, den Bundesfeldherrn zu ernennen, die Bil- 
dung des Hauptquartiers und der Heeresabtheilungen zu veranlassen, eine 
eigene Kriegskasse des Bundes zu errichten. Zu einer förmlichen Kriegs- 
 erklärung des Bundes ist ein im Bundesrath mit zwei Drittheilen der Stim- 
men gefaßter Beschluß erforderlich. Ergibt sich die Gefahr eines Kriegs 
zwischen einem Bundesstaat, welcher zugleich außerhalb des Bundesgebiets 
Besitzungen hat, und einer auswärtigen Macht, so hat das Directorium den 
Beschluß des Bundesraths, darüber ob der Bund sich am Krieg betheiligen 
wolle, zu veranlassen. Die Entscheidung hierüber erfolgt mit einfacher Stim- 
menmehrheit. Wird das Bundesgebiet durch feindliche Streitkräfte ange- 
griffen, so tritt der Stand des Bundeskriegs von selbst ein. Das Directo- 
rium hat das Recht, Friedensunterhandlungen einzuleiten, und zu diesem 
Zweck eigene Bevollmächtigte zu ernennen und mit Instructionen zu ver- 
sehen. Es hat jedoch über die Bedingungen des Friedens die Ansicht des 
Bundesraths zu vernehmen. Die Annahme und Bestätigung des Friedens- 
vertrags kann nur auf Grund eines mit einer Stimmenmehrheit von zwei 
Drittheilen gefaßten Beschlusses des Bundesraths geschehen. In dem Fall 
des Art. 45 der Wiener Schlußakte hat das Directorium die zur Behaup- 
tung der Neutralität des Bundes erforderlichen Maßregeln zu beschließen. 
In Bezug auf Streitigkeiten einzelner deutscher Staaten mit auswärtigen 
Staaten hat das Directorium die durch die Art. 36 und 37 der Wiener
	        
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