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men des Bundesrathes der Resormacte haben Oesterreich und Preußen 6,
Dänemark und die Niederlande, die präsumtiv ohnehin meist gegen einen
Bundeskrieg sein werden, 2 zu führen; es bleiben also 13 reindeutsche Stim-
men übrig, und von diesen müssen sich 11 mit den Stimmen der einen
Großmacht vereinigen, wenn gegen die Ansicht der anderen eine Kriegserklärung
beschlossen werden soll. Dies gewährt wohl mehr als hinlängliche Sicherheit.
„Noch eine letzte wichtige Betrachtung möge, ehe der Gegenstand verlassen
wird, gegen die Forderung eines Veto geltend gemacht werden. Der mini-
sterielle Vortrag vom 15. September klärt uns nicht darüber auf, ob unter
diesem Veto ein bloßes Recht der Enthaltung Preußens von einem Bundes-
kriege oder das Recht, einen solchen Krieg zu untersagen, verstanden wer-
den solle. In der ersten Unterstellung wäre der gewählte Ausdruck nicht
genau, in der zweiten könnte sich das Veto jedenfalls nur gegen einen von
Bundeswegen zu erklärenden Krieg richten, während es das Kriegs-
und Friedensrecht der einzelnen Souveräne diesen nicht entziehen
könnte. Es wird aber nicht einer besonderen Ausführung oder der Heran-
ziehung nahe liegender Beispiele bedürfen, um zu beweisen, daß es ein System
von Separatbündnissen grundsätzlich autorisiren, ja mit Nothwendigkeit
hervorrufen hieße, wenn man den beiden Großmächten das Recht einräumen
wollte, die Entscheidung des Bundes über Krieg und Frieden zu hemmen.
„II. Formelle Gleichstellung Preußens mit Oesterreich. . . . .
„III. Directe Wahlen zur Abgeordnetenversammlung. Die
dritte und letzte Forderung Preußens — diejenige einer direct gewählten und
mit ausgedehnteren Befugnissen, als nach der Reformacte, versehenen Volks-
vertretung — diese Forderung stellt sich allerdings entschieden und tief ein-
greifend auf das Gebiet der Bundesreform. Um so gerechtfertigter aber ist
das Verlangen, zu wissen, wie man sich Rechenschaft zu geben habe von der
Ausführung eines so weit reichenden Gedankens, und ob in demselben auch
alle Folgerungen begriffen seien, welche eine solche Verheißung nothwendig be-
dingt. Der Vortrag des königlich preußischen Staatsministeriums vom 15. Sep-
tember befriedigt in keiner Beziehung dieses Verlangen. Wie sollen die Wah-
len eingerichtet werden, aus welchen die Volksvertretung am Bunde unmittel-
bar hervorgehen soll? Hat man ein einschränkendes, in ganz Deutschland ein-
zuführendes Wahlsystem im Auge? Wie soll ein solches in den verschiedenen
Staaten zur verfassungsmäßigen Geltung gebracht werden? Sollen Wahlen
nach allgemeinem Stimmrecht stattfinden? Ist an eine Erneuerung des Ver-
suchs von 1848 gedacht? Soll ein Oberhaus das Correctiv bilden für die
Gefahren allgemeiner Wahlen? Und wenn die Befugnisse des Parlaments
ausgedehnter sein sollen, als diejenigen der Abgeordnetenversammlung der
Reformacte, wird dann nicht auch die Centralgewalt stärker, als das Direc-
torium der Reformacte, organisirt sein müssen? Ist Preußen darauf vorbe-
reitet, sich einer solchen Centralgewalt, wenn sie nicht ausschließlich in seinen
eigenen Händen ruht, zu unterwerfen? Ueber alle diese wichtigen Fragen würde
man in dem Vortrage der preußischen Minister vergeblich irgend eine Auskunft
suchen. Nur der gewagten Voraussetzung begegnet man dort, daß der speci-
fisch preußische Standpunkt in einer aus directen Wahlen hervorgegangenen
Versammlung sich vollständiger als in einer Versammlung von Delegirten
mit dem allgemeinen deutschen Standpunkt identificiren würde. Nur einer
Nationalvertretung der ersteren Art glaubt deshalb die k. preußische Regie-
rung Opfer bringen zu können, die jedoch nicht näher angedeutet werden. Als
gewagt wird jene Voraussetzung wohl nicht mit Unrecht bezeichnet werden
dürfen, denn bis jetzt liegt nur eine Erfahrung vor, diejenige von 1848.
Damals war Oesterreich in Frankfurt unvollständig, Preußen vollständig,
und sogar unter Hinzutritt der nicht zum Bunde gehörigen Provinzen ver-
treten — und demungeachtet war zwischen Berlin und Frankfurt bald ein so