94 Deutschland.
wenigstens principiell anerkannt von Baden, Weimar, Coburg-Gotha,
Meiningen, Altenburg, Braunschweig, Waldeck, Reuß j. L.
1.—2. Dec. (Preußen). Zweitägige Debatte des Abg.-Hauses über
die schleswig-holsteinische Frage. Der Ministerpräsident verliest eine
schriftliche Erklärung des Staatsministeriums:
Einleitende Bemerkung des Ministerpräsidenten: „Es ist
richtig, daß der Londoner Vertrag nicht zwischen den Großmächten, son--
dern von einer jeden derselben mit Dänemark, abgeschlossen ist. Sowohl der
Inhalt des Vertrags bestätigt dies, als auch die Form; er ist unterzeichnet
auf der einen Seite von Dänemark, und auf der gegenüberstehenden Seite
von den sämmtlichen übrigen Contrahenten, und die Ratificationen sind von
jeder Macht mit Dänemark ausgewechselt, nicht von den Mächten unter-
einander . . .“
Erklärung des Staatsministeriums: „Unsere Stellung zu der
dänischen Frage ist durch eine Vergangenheit bedingt, von der wir uns nicht
willkürlich lösen können, und welche uns Pflichten gegen die Herzogthümer,
gegen Deutschland und gegen die europäische Mächte auferlegt. Die Aufgabe
unserer Politik wird es sein, diesen Verbindlichkeiten so zu entsprechen, wie
es unsere oberste politische Pflicht, die Sorge für die Ehre und die Sicherheit
unseres eigenen Vaterlandes gebietet. Für Preußens Stellung zur Sache ist
zunächst der Londoner Vertrag von 1852 maßgebend. Die Unterzeich-
nung desselben mag beklagt werden; aber sie ist erfolgt, und es ist ein Gebot
der Ehre wie der Klugheit, an unserer Vertragstreue keinen Zweifel haften
zu lassen. Indem wir aber dieses Gebot für uns selbst anerkennen, bestehen
wir ebenso auf seiner Geltung für Dänemark. Der Londoner Vertrag bildete
den Abschluß einer Reihe von Unterhandlungen, welche 1851 und 1852 zwi-
schen Deutschland und Dänemark gepflogen worden waren. Die aus den-
selben hervorgegangenen Zusagen Dänemarks und der Vertrag, welchen
Preußen und Oesterreich auf Grund derselben in London vollzogen haben,
bedingen sich gegenseitig, so daß sie mit einander stehen oder fallen.
Die Aufrechthaltung dieser Stipulationen ist einstweilen insbesondere für Schles-
wig von wesentlicher Bedeutung. Sie gibt uns das Recht, in diesem Her-
zogthum die Erfüllung vertragsmäßiger Zusagen von Dänemark zu fordern.
Fallen aber mit dem Londoner Vertrage die Verabredungen von 1851/52 , so
fehlen uns in Betreff Schleswigs solche vertragsmäßige Rechte, welchen die
Anerkennung der europäischen Großmächte zur Seite stände. Die Lossagung
von den Verträgen von 1852 würde also der Stellung Schleswigs und den
deutschen Forderungen in Betreff derselben die 1852 geschaffene vertragsmäßige
Grundlage entziehen, und die allseitige Anerkennung einer andern von neuen
Verhandlungen oder von dem Ausgang eines europäischen Krieges abhängig
machen. Damit aber die Verträge für uns diesen Werth und ihre Geltung
behalten, ist es nothwendig, daß sie von dänischer Seite gewissenhaft ausge-
führt werden. Daß dies bisher nicht geschehen ist, darf ich als allseitig un-
bezweifelt ansehen und halte mich der Aufzählung der Einzelnheiten hier über-
hoben. Die Entscheidung über die Frage, ob und wann wir durch Nicht-
erfüllung der dänischen Verpflichtungen in den Fall gesetzt sind, uns von dem
Londoner Vertrag loszusagen, muß die Regierung sich vorbehalten;
sie kann dieselbe weder dem deutschen Bunde überlassen noch sie
hier zum Gegenstande von Erklärungen machen. Wir haben mit
der österreichischen Regierung Verabredungen getroffen, welche eine überein-
stimmende Haltung beider Mächte in Betreff des Londoner Vertrags und seiner
Consequenzen einstweilen sicherstellen. Dieselben gehen von der Annahme
aus, daß in Lauenburg der König Christian auch ohne den Londoner Ver-
trag successionsberechtigt sein würde, nachdem der nächste Erbe, der Prinz
Friedrich von Hessen, zu seinen Gunsten entsagt hat. In Betreff Holsteins