Deutschland. 95
dagegen beruht für uns der Successionstitel auf dem Londoner Vertrag, und
ist die Verwirklichung desselben von der Erfüllung der Vorverträge abhängig,
welche mit dem Londoner Vertrag in solidarischem Zusammenhang stehen.
Daß letzteres der Fall sei, ist durch das Zeugniß des competentesten aller
Zeugen, des Hrn.-Bluhme, welcher 1851 und 1852 dänischer Minister der
auswärtigen Angelegenheiten war, im dänischen Reichsrath bekräftigt worden.
Auf dieser Auffassung beruht unsere durch die Zeitungen bereits bekannte Ab-
stimmung in der Bundestagssitzung vom 28. Nov. Wir sehen, so lange
wir den Londoner Vertrag nicht als hinfällig betrachten, in
König Christian den Erben des Rechts und des Unrechts seiner Vorgänger.
Demzufolge bestehen die Beweggründe fort, durch welche der Executionsbeschluß
vom 1. Okt. hervorgerufen wurde, während durch die Umstände eine beschleu-
nigte Ausführung desselben geboten erscheint. Zu diesem Behuf haben wir in
Gemeinschaft mit Oesterreich die erforderlichen Anträge zur sofortigen Voll-
ziehung der Execution gestellt. Wie auch die Entscheidung hierüber in Frank-
furt ausfallen möge, unter allen Umständen wird Preußen nach Maß-
gabe seiner Stellung als europäische Macht und als Bundesglied für das
deutsche Recht in den Herzogthümern und für sein eigenes Ansehen im Rathe
der Großmächte mit besonnener Festigkeit einstehen. In Erfüllung dieser
Aufgabe rechnet die Regierung auf die bereitwillige Unterstützung des Landes
und seiner Vertreter. Zum Behuf unserer bundesbeschlußmäßigen Mitwirkung
bei der Execution wird sie die erforderlichen militärischen Vorkehrungen zu
treffen haben, und wegen Beschaffung der dazu nöthigen Geldmittel dem Land-
tage zu verfassungsmäßiger Beschlußnahme eine Vorlage machen.“
Beschluß des Abgeordnetenhauses (mit 231 gegen 63 Stimmen
angenommen): „In Erwägung 1) daß der Erbprinz von Schleswig-Holstein-
Augustenburg kraft eines unzweifelhaften Erbfolgerechts seinen Anspruch
auf die Regierung der Herzogthümer, erhoben hat, 2) daß weder der deutsche
Bund noch die Stände der Herzogthümer Schleswig und Holstein den Be-
stimmungen des Londoner Vertrags vom 8. Mai 1852 beigetreten sind,
3) daß Dänemark durch eine Reihe vertragswidriger Maßregeln, durch
vielfache Bedrückungen der deutschen Bevölkerung und Sprache in Schleswig,
durch das Patent vom 30. März 1863 und endlich durch die Vollziehung der
neuen Verfassung für Dänemark-Schleswig die Vereinbarungen von 1851 und
1852 und damit die Bedingungen selbst gebrochen hat, unter welchen die
deutschen Großmächte dem Londoner Vertrage beigetreten sind, daß daher die
Bestimmungen dieses Vertrags für die deutschen Großmächte jede Verbind-
lichkeit verloren haben, 4) daß in dieser Sachlage die Anwesenheit dänischer
Truppen in dem Bundeslande Holstein eine Verletzung des Bundesgebietes
bildet — erklärt das Abg.-Haus: die Ehre und das Interesse Deutschlands
verlangen es, daß sämmtliche deutsche Staaten die Rechte der Herzogthümer
schützen, den Erbprinzen Friedrich von Schleswig-Holstein-Augustenburg als
Herzog von Schleswig-Holstein anerkennen und ihm in der Geltendmachung
seiner Rechte wirksamen Beistand leisten.“
1. Dec. (Bayern). Beide Gemeindecollegien von München beschließen
eine Adresse an den in Rom weilenden König mit der Bitte um
Rückkehr in sein Land. Der König entspricht und trifft sofort die
Anstalten zur Abreise.
2. „ ( Baden). Eröffnung des Landtags. Thronrede des Großherzogs:
„ . . . Der Ruf eines erlauchten Bundesfürsten, die Reform der
Bundesverfassung auf dem Wege persönlichen Meinungsaustausches der
Fürsten zu ordnen, weckte von neuem die Hoffnung der Nation auf endliche
Befriedigung gerechter Wünsche. Freudig demselben Folge leistend, wäre Ich