Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfter Jahrgang. 1864. (5)

England. 205 
Lord Palmerston: „... Da im ersten Stadium dieser Verhandlungen 
klar geworden war, daß Frankreich und Rußland keine Neigung hatten, 
Dänemark materiell zu stützen, so wußten wir, daß die ganze Last dieser 
Kraftanstrengung auf England allein hätte fallen müssen. Unter diesen Um- 
ständen haben wir es nicht für pflichtgemäß erachtet, unserer Monarchin die 
Uebernehmung einer solchen Aufgabe zu empfehlen.. .Ich will nicht sagen — 
ich halte es in der That für recht, diesen Vorbehalt zu machen — daß, wenn 
der Krieg einen andern Charakter annehmen sollte, wenn das Bestehen Däne- 
marks als eines unabhängigen Staats in Europa auf dem Spiel stünde; 
wenn wir Grund hätten zu fürchern, daß wir in Kopenhagen die Gräuel einer 
mit Sturm genommenen Stadt, die Zerstörung des Eigenthums, die Hin- 
opferung nicht nur seiner Vertheidiger, sondern seiner friedlichen Einwohner, 
die darauf folgenden Confiscationen, die Gefangennehmung des Monarchen 
und andere Demüthigungen dieser Art zu sehen haben würden — ich will 
nicht sagen, daß, wenn irgend eines dieser Ereignisse zu drohen schiene, die 
Stellung Englands nicht ein Gegenstand für abermalige Erwägung werden 
könnte. Wir dürften es dann für unsere Pflicht halten, eine andere Politik 
einzuschlagen, aber jedenfalls würde solch eine Veränderung dem Parlament 
angezeigt, und das Parlament, wenn es zur Zeit nicht sitzen sollte, zu diesem 
Zweck einberufen werden.“ J 
28. Juni. Disraeli trägt im Unterhaus auf eine Adresse an die Königin gegen 
das Ministerium an. Kinglake setzt dem Antrag ein Amendement 
zu Gunsten des Grundsatzes der Nichteinmischung in den deutsch- 
dänischen Streit entgegen. 
Antrag Disraeli's: „Es sei eine unterthänige Adresse an Ihre Maj. 
zu richten, um J. Maj. dafür zu danken, daß sie die Correspondenz über Däne- 
mark und Deutschland und die Protokolle der neulich in London gehaltenen 
Conferenz dem Parlament vorzulegen befohlen hat; J. Majestät zu versichern, 
wie das Haus mit tiefem Leidwesen vernommen habe, daß die Conferenz ihre 
Sitzungen geschlossen, ohne die wichtigen Zwecke, wegen deren sie zusammen- 
gerufen worden war, erfüllt zu haben; J. Majestät großes Bedauern darüber 
auszudrücken, daß das von J. M. Regierung beobachtete Verfahren die von 
ihr eingestandene Politik, die Integrität und die Unabhängigkeit Dänemarks 
zu wahren, nicht festgehalten, zugleich aber den gerechten Einfluß dieses 
Landes im Rath Europa's geschwächt lowered) und dadurch die Bürgschaften 
des Friedens verringert hat.“ 
Amendement Kinglake's: Statt obigen Tadels sei der Königin in 
der Adresse „die Zufriedenheit des Hauses darüber auszusprechen, daß die 
Minister in der jetzigen Conjunctur Ihrer Majestät gerathen haben, sich 
einer bewaffneten Einmischung in den jetzigen Krieg zwischen Dänemark und 
den deutschen Mächten zu enthalten.“ 
Parteiversammlung der Torys, an der 231 Mitglieder des Unter- 
hauses Theil nehmen. Graf Derby theilt derselben den Antrag 
Disraeli's mit. Es wird der Antrag auf bewaffnete Intervention 
zu Gunsten Dänemarks gestellt. Graf Derby erklärt sich dagegen 
und will sich überhaupt für den Fall eines Ministerwechsels keines- 
wegs binden. 
2/3. Juli. Die Morning-Post veröffentlicht eine Reihe apokrypher diplo- 
matischer Depeschen, welche das Wiederaufleben der nordischen Allianz 
darthun sollen.