Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfter Jahrgang. 1864. (5)

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Italien. 
sicher sei, daß die Regierung gerade in Betrachtnahme der inneren politischen 
Lage, wie sie durch den Vertrag geschaffen wurde, die Absicht habe, dem Könige 
zu diesem Entschlusse zu rathen, indem die Nothwendigkeit eines wirksameren 
Einflusses (action plus eflicace) auf alle Theile des Landes und selbst un- 
sere Stellung zu Rom sich zu den strategischen Gründen gesellen würden, um 
ihn zu empfehlen. Es schien dem Kaiser, daß dieser Entschluß, einmal ge- 
faßt, den Zweck, den man vor Augen habe, erreichen würde. Se. Majestät, 
indem Sie von dem Versuche der Verlegung des Regierungssitzes sprachen, 
sagten, daß, wenn das der Gedanke der Regierung des Königs ist, wenn das 
der Wunsch der italienischen Nation ist, viele Schwierigkeiten, die uns in dieser 
wichtigen römischen Frage trennten, beseitigt würen. . Wir bestanden darauf, 
daß die französische Regierung außerhalb dieser Thatsache, die wesentlich als eine 
Frage der inneren Ordnung zu betrachten sei, den Entwurf einfach annehme. 
Aber die französische Regierung blieb bei ihrer bereits dem Marchese Pepoli 
gegebenen Antwort und erklärte, daß, falls die Regierung des Königs sich 
entschließe, den Regierungssitz anderweitig zu verlegen, der sofortigen Unter- 
zeichnung der Uebereinkunft kein Hinderniß entgegenstehe. 
„Der Marchese Pepoli reiste nach Turin und legte die Angelegenheit der 
der Regierung vor. Damit die Regierung des Königs einen Entschluß fassen 
könne, war es otswentig, den Zeitraum festzusetzen, in welchem die franzö- 
sische Besetzung aufhören solle. Die kaiserliche Regierung erklärte, dieser Ter- 
min könne nicht weniger als zwei Jahre betragen. Die Anstrengungen der 
italienischen Unterhändler, um diesen Zeitraum kürzer zu machen, sind ohne 
Ergebniß geblieben. Da die Regierung nach reiflicher Erwägung beschlossen 
hatte, die Uebereinkunft mit der Clausel der Regierungsverlegung anzunehmen, 
wurden Marchese Pepoli und ich beauftragt, diesen Akt abzuschließen, und 
man versah uns zu diesem Behufe mit der nöthigen Vollmacht. Marchese 
Pepoli kam den 14. in Paris an, den 14. wurde die Redaktion des Artikels 
festgesetzt und heute den 15. wurde die Uebereinkunft unterzeichnet. 
„Artikel 1 ist so beibehalten worden, wie er im Project des Grafen Cavour 
enthalten war. Artikel 2 enthält die Verbindlichkeit Frankreichs, seine Truppen 
aus den päpstlichen Staaten allmälig und in dem Maße zurückzuziehen, als 
die päpstliche Armee organisirt sein witd; aber der letzte Termin der Räu- 
mung ist auf zwei Jahre anberaumt. Artikel 3 ist so, wie ihn der Entwurf 
des Grafen Cavour gab, mit der einzigen Ausnahme, daß statt die Zahl der 
Streitkräfte zu bestimmen, welche die päpstliche Armee bilden sollen, man über- 
eingekommen ist, daß diese Streitkräfte nicht ein Angriffsmittel gegen das ita- 
lienische Gouvernement bilden dürfen. Außerdem wurden die Worte „die 
Ruhe der Grenze“" hinzugefügt, um die Verpflichtung der päpstlichen Regierung 
anzudeuten, daß sie ihre Grenze nicht zu einem Zufluchtsorte für das Räu- 
berwesen darf werden lassen. Auch Artikel 4 ist ähnlich dem Entwurf des 
Grafen Cavour. 
„Was nun die Clausel der Verlegung betrifft, so konnte dieselbe nach der 
Ansicht der Regierung des Königs keinen integrirenden Theil der Convention 
bilden; man kam daher überein, sie in einem getrennten Protocolle niederzulegen, 
dessen Original Ew. Excellenz ebenfalls hier anliegend finden wird. Durch 
Anwendung dieser Form hat man darthun wollen, daß eine derartige Maßregel 
für uns ein wesentlich der inneren Politik angehöriges Factum sei welches 
mit der Convention nur dadurch Gemeinschaft haben konnte, daß es eine neue 
Lage schuf, in welcher Frankreich eine Garantie erblickte, die ihm die Rückbe- 
nsung seiner Truppen erlaubte, und zugleich ein Unterpfand, daß Jtalien 
auf die Anwendung gewaltsamer Mittel zur Occupation Roms verzichte. 
„Ausdrücklich wurde in unseren Conferenzen mit dem französischen Be- 
vollmächtigten bemerkt, daß die Convention nicht mehr noch weniger 
bedeuten solle und könne, als was sie sage, das att. daß durch 
die Convention Italien sich verpflichte, auf jedes gewaltsame Mittel zu