Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfter Jahrgang. 1864. (5)

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im Besitz von Vieh, Brod sei an sie ausgetheilt worden und ihr Gesundheits- 
zustand sei keineswegs so schlimm, wie man es dargestellt habe. Es herrschte 
unter ihnen keine epidemische Krankheit. Die Leiden der Auswanderer hatten 
bielmefr auh der Ueberfahrt nach der Türkei begonnen und sich nach ihrer 
Ankunft in Trapezunt fortgesetzt, an welchem Orte zu der beklagenswerthen 
Ueberhäufung noch die schlechte Verwaltung und falsche Verwendung der vom 
Sultan geschickten Hilfsmittel kam. Der Großfürst hat auf sein Gesuch die 
Ermächtigung erhalten, alle russischen Kriegsschiffe auf dem schwarzen Meere 
und alle etwa entbehrlichen Kauffahrteischiffe zur Hilfeleistung bei dem 
Transporte derjenigen Tscherkessen, die noch immer entschlossen waren, das 
Land zu verlassen, aufzubieten. Es scheint jedoch ein gewisser Rückschlag er- 
folgt zu sein, denn mehrere haben sich gewillt gezeigt, zu bleiben und die An- 
siedlung auf russischem Boden anzunehmen. Nach den letzten Berichten des 
russischen Consuls in Trapezunt ist die tägliche Sterblichkeitszisfer unter den 
Ankömmlingen 40 gewesen. Der Angabe des Kriegsministers zufolge kann 
die Emigration 100,000 Köpfe nicht überschritten haben.“ 
28./31. Mai. (Polen). Durch Tagesbefehle werden „in Anbetracht der 
sich immer mehr befestigenden Nuhe und Ordnung im Königreich 
Polen“ mehrere Militärcommandos wieder aufgehoben. 
29. „ (Polen). Fürst Adam Sapieha erklärt als „bevollmächtigter Com- 
missär der Nationalregierung in Frankreich“ den dortigen polnischen 
Flüchtlingen, daß der geringe ihnen bisher gewährte Sold nur noch 
bis zum 6. Juni gezahlt werden könne wegen Erschöpfung der Hülfs- 
quellen des Landes. · 
,,»(BaltischeProvinzen).DerlivländifcheLandtaglehntden 
ihm gemachten Vorschlag, das Besitzthum adeliger Güter allen Klassen 
der Bevölkerung zugänglich zu machen, ab. 
30. „ Ein kaiserlicher Ukas hebt die bisherigen Ausfuhrzölle aus Ruß- 
land auf. 
— „ (Litthauen). Von der Regierung auf jede Weise begünstigt, 
erfolgen bereits vielfache Uebertritte von der kathol. zur griechischen 
Kirche. 
2. Juni. Der Bevollmächtigte des Kaisers an der Londoner Conferenz 
erklärt, daß derselbe sich entschlossen habe, seine Ansprüche auf Hol- 
stein dem Großh. v. Oldenburg zu cediren. 
„ „ (Circassien). Großfürst Michael meldet dem Kaiser telegraphisch 
die vollständige Unterwerfung des Kaukasus: „Gegenwärtig existirt 
kein einziger nicht unterworfener Volksstamm mehr.“ 
5./6. Juni. (Litthauen). Die Rückkehr Murawiews nach Wilna ge- 
staltet sich zu einem förmlichen Triumphzug. Derselbe ordnet ein 
jährliches bürgerliches und kirchliches Erinnerungsfest „an die Be- 
freiung Litthauens von der Herrschaft des polnischen Adels“ an. 
9. „ Ankunft des Kaiserpaars in Berlin auf der Reise nach Kissingen. 
10. „ (Polen). Ein Polizeibefehl verordnet in Warschau, alle Aus- 
hängschilder umzuarbeiten und neben der polnischen auch die russische 
Aufschrift in gleicher Größe der Buchstaben anzubringen. 
11. „ (Polen). Das Cemité zur Regulirung der bäuerlichen Verhält-