Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfter Jahrgang. 1864. (5)

348 
Deutsch- 
land. 
Urbersicht der Ereignisse des Jahres 1861. 
die klarsten Verpflichtungen außer Acht setzte, sein Ziel ohne Wanken 
und mit allen Mitteln rastlos verfolgte und den Beschwerden des 
deutschen Bundes höhnisch auszuweichen wußte. Eben glaubte Däne- 
mark durch die sogenannte November-Verfassung am Ziele angelangt 
und sich die längst umgarnte Beute dauernd gesichert zu haben, als 
König Friedrich VII. starb. Dieser Tod mahnte der ganzen so lange 
nur mühsam mit allen Mitteln der Diplomatie in der Schwebe ge- 
haltenen Situation plötzlich ein Ende. Während Christian von 
Glücksburg gestützt auf den Londoner Vertrag, den die sämmtlichen 
Großmächte mit Einschluß Oesterreichs und Preußens gegen die ur- 
alten Rechte dieser Lande geschlossen hatten und dem nach und nach 
fast alle andern Staaten Europas beigetreten waren, den Thron von 
Dänemark bestieg, die Herzogthümer mit seinen Truppen besetzt hielt 
und ihre Huldigung zu erzwingen bemüht war, erhob alsbald auch 
der Prinz Friedrich von Augustenburg seine auf das Erbrecht seines 
Hauses, das der Londoner Vertrag nur thatsächlich, aber nimmermehr 
rechtlich hatte beseitigen können, gegründeten Ansprüche auf den 
Thron der vereinigten Herzogthümer und hinter ihm stand die öf- 
fentliche Meinung von ganz Deutschland. Hunderte von Vereinen 
und Versammlungen wuchsen an allen Ecken und Enden von Deutsch- 
land wie aus dem Boden empor und gaben dem zum festen, nach- 
haltigen Entschlusse gereisten Willen der Nation Ausdruck, daß den 
Herzogthümern nunmehr endlich ihr Recht werden müsse und daß sie 
trotz des Londoner Vertrags endgültig und für immer von Dänemark 
befreit und losgelöst werden müßten. Die Macht der nationalen 
Bewegung schien einen Augenblick alles mit sich fortzureißen und 
selbst dem alten Bundestage wieder neues Leben einzuhauchen. 
Patriotischen Sinnes ging der Herzog von Coburg-Gotha den übrigen 
deutschen Fürsten mit gutem Beispiel voran, anerkannte ohne Zögern 
den Prinzen Friedrich als Herzog von Schleswig-Holstein und gestattete 
ihm, seinen Wohnsitz vorerst in Gotha zu nehmen und sich daselbst 
eine Art von Ministerium zu bilden; die Großherzoge von Baden 
und Sachsen-Weimar folgten seinem Beispiel; der König von Bayern 
kehrte eilends von Rom in die Mitte seiner getreuen Unterthanen 
zurück, erklärte die Erbansprüche des Augustenburgers wenigstens 
für „„rechtlich begründet“ und daß er bereit sei, „mit allen Kräften 
für die Durchführung der hiedurch bedingten Politik für die