Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechster Jahrgang. 1865. (6)

Deutschland. 117 
untereinander in jeder Weise zu fördern, alle der Anlage von Concurrenz- und 
Parallelbahnen entgegenstehenden gesetzlichen und administrativen Hindernisse 
zu beseitigen und auf die Anlage von Kanälen, auf Flußregulirungen und 
auf Erleichterungen der Schifffahrt Bedacht zu nehmen, sowie dahin zu 
wirken, daß den neuen Eisenbahn-Unternehmungen bei Ertheilung der Concession 
und den bestehenden, soweit es gesetzlich zulässig ist, die Pflicht auferlegt 
werde: a. für den Transport von Massengütern, welche in offenen Waggons 
waggonweise befördert werden, auf Entfernung von nicht unter 10 Meilen 
den Einpfennigstarif einzuführen, b. die von Bahn zu Bahn transitirenden 
Güter ohne Uebergangsgebühr zu übernehmen, c. den Vetrieb auf den von 
den industriellen Etablissements gebauten Privat-Anschlußbahnen zu den Selbst- 
kosten zu bewerkstelligen. III. Die Differentialtarife verändern nicht selten in 
willkürlicher Weise, und ohne daß gegründete Concurrenz-Interessen dazu 
nöthigen oder die Rücksichten auf das finanzielle Ergebniß des Bahn-Unter- 
nehmens die Beibehaltung der bisherigen unregelmäßigen Höhe des Tarifs 
im unterbrochenen Verkehr zu rechtfertigen vermöchten, die natürlichen Beding- 
ungen, unter denen Handel und Industrie produciren und versenden. Sie ver- 
stoßen alsdann gegen die wirthschaftlichen Landes-Interessen. Der Handelstag 
erklärt jede im Interesse der Eisenbahnen liegende Fracht-Herabsetzung, selbst 
wenn dieselbe nicht auf den Local-Verkehr ausgedehnt werden kann, im all- 
gemeinen Interesse wünschenswerth. IV. Die lebhafte Betheiligung des 
Handelsstandes bei der Bildung und Verwaltung der Eisenbahn-Unternehmungen 
sowie in der Geltendmachung des gemeinsamen Interesses der Eisenbahnen und 
Transport-Aufgeber muß als eine wirksame Hilfe gegen die hervorgetretenen 
Uebelstände empfohlen werden. Namentlich ist dahin zu wirken, daß durch 
die Trennung der wirthschaftlichen Funktionen, aus denen sich der Eisenbahn- 
Transport zusammensetzt, eine bessere Ausnutzung der Fahrzeuge und der 
Zugkraft und dadurch eine Herabsetzung des Transportspreises herbeigeführt 
wird, sowie dahin, daß die Klassification der Güter in den Tarifen der ver- 
schiedenen Bahnen, möglichst in Uebereinstimmung mit der Klassification der 
mit Deutschland verbundenen Linien der Nachbarstaaten, eine gleichmäßige und 
vereinfachte werde. V. Der Handelstag ersucht den bleibenden Ausschuß, 
der Reform des deutschen Eisenbahnwesens und seiner Gesetzgebung seine 
unausgesetzte Aufmerksamkeit zu widmen und sie auf dem nächsten Handelstage 
wiederum zur Tagesordnung zu stellen.“ 
9. Reform des Postwesens: Der Handelstag beschließt: „Die aus- 
führliche Berathung des Gegenstandes für die Tagesordnung des nächsten 
Handelstags zu stellen, dagegen schon jetzt zu erklären, daß in 
Betreff des Tarifes für die Briefposten das sogenannte Distanzensystem zu 
verlassen und der einfache Brief mit höchstens 1 Sgr. (3 kr.) zu tarifiren ist." 
10. Zollvereinsangelegenheit: a) Zollvereinsverfassung:  
„Der deutsche Handelstag beklagt, daß die Erneuerung der Zollvereinsverträge 
unter den betreffenden deutschen Staaten im vorigen Jahre vorübergegangen 
ist, ohne daß zugleich für die einheitliche Verfassung des zollvereinsländischen 
Wirthschaftsgebietes auch nur das Mindeste im Sinne der Heidelberger und 
Münchener Handelstagsbeschlüsse erreicht ist. Wenngleich jene Verträge auf 
die Dauer von 12 Jahren abgeschlossen sind, so weisen dennoch die unausge- 
setzten mittelbaren und unmittelbaren Benachtheiligungen, welche der deutsche 
Handels- und Gewerbestand durch die Verzögerung der deutsch-italienischen 
und schweizerisch-deutschen Handelsvrerträge durch den Mangel eines einheitlich 
geordneten Consularwesens, durch die sich jeder wohlwollenden Kritik entzieh- 
enden, in einzelnen kleinen Staaten herrschenden Mißbräuche im Versicherungs- 
wesen, durch die Ungleichheit und Unwirthschaftlichkeit in der Behandlung der 
Fragen des öffentlichen Verkehrs, durch die Mangelhaftigkeit und Mannigfal- 
tigkeit der eigentlichen Gewerbegesetzgebung und Anderes erleidet, und deren 
Beseitigung von der Schaffung einer einheitlichen Leitung der Zollvereins-