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Oesterttich.
die Regierung nach § 13 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung vom
26. Februar 1861 berechtigt, nur dringende, in den Hleken nicht vorge-
sehene und den Staatsgrundgesetzen nicht zuwiderlaufende Verordnungen
unter Verantworklichkeit des Gesammtministeriums mil provisorischer Gesetzes-
kraft zu erlassen. Jede solche gesetzliche Anordnung tritt außer Wirksamkeit,
wenn sie nicht die Genehmigung des nach ihrer Entlassung einberufenen näch-
sten Reichsrathes erhält". Resolutionen: „Das Abg.-Haus spricht die
Ueberzeugung aus, daß sein versassungemäpiges Recht, zu jeder Art und zu
jedem Acte der Gesetzgebung durch Zustimmung mitzuwirken, durch den 6 13
des Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung vom 26. Febr. 1861 nicht
aufgehoben werde, daher sich das Haus der Abgeordneten gegen jede diesem
Rechte widerstreitende Auslegung oder Anwendung der angeführten Verfassungs=
bestimmung verwahrt; 2) daß der 8 13 des Grundgesetes über die Reichs-
vertretung vom 26. Febr. 1861 nach seiner dermaligen Fassung nur in drin-
genden Fällen und auf vorübergehende Verhällnisse Anwendung finden könne
und daß jede auf Grund der angeführten Verfassungsbestimmung getroffene
Verfügung mit dem Ausfhören des besonderen Falles, für welchen sie erlassen
werden mußle, außer Wirksamkeit trete"“.
Der Staatsminister v. Schmerling, der im Schooße des Ausschusses zuge-
geben hat, „daß mit dem §& 13 allerdings auch die Verfassung geändert werden
könne“, erklärt zwar, daß die Regierung auf ihrem bisherigen Standpunkte
beharren müsse, säücht dagegen nunmehr das Haus mit der Versicherung zu be-
ruhigen, er „sehe den § 13 nicht für das Kind an, daß bestimmt sei, die
Mutter zu verschlingen“.
Das Haus nimmt den vorgeschlagenen Gesetzesentwurf mit 102
gegen 48 und die Resolutionen mit 117 gegen 44 Stimmen an.
21. Juni. Reichsrath: Das Abg.-Haus beschließt in Folge einer dringenden
Anforderung des Finanzministers, der Regierung behufs Erfüllung
der im Laufe des Juli fälligen Verpflichtungen des Staats wenig-
stens einen Theil des geforderten Anlehens zu bewilligen:
„.1) Der Finanzminister wird ermächtigt, zur Ergänzung der Geldmittel,
welche zur vollständigen Erfüllung der Verpflichtungen des Staates im Mo-
nate Juli l. J. benöthigt werden, mittelst einer Creditoperation den Betrag
von 13 Millionen Gulden in österreichischer Währung auf cine den Staats=
schatz möglichst wenig belastende Weise aufzubringen. 2) Von jedem Ge-
schäfte, welche zur Durchführung der im Art. 1 gestatteten Creditoperationen
eingegangen wird, ist die Staatsschuldencontrolcommission des Reichsrathes in
Kenntniß zu setzen, alle hierüber ausgestellten Urkunden sind, so weit sie eine
Verbindlichkeit des Staats begründen sollen, der Contrasignatur dieser Com-
mission zu unterziehen und ohne solche Contrasignatur rechtsunwirksam“ —
und beschließt im ferneren: „a) in eine weitere Creditbewilligung in so
lange nicht einzugehen, als nicht die Finanzgesetze für 1865 und 1866 in ver-
fassungsmäßiger Weise zu Stande gekommen sind; b) den Finanzausschuß
für 1866 zu beauftragen, daß er mittlerweile die Regierungsvorlage einer
eingehenden Berathung unterziehe, sich jedoch dabei nicht auf die materielle
Prüfung der einzelnen Posten beschränke, sondern vielmehr auch diejenigen
Garantien ermittle und formulire, welche nothwendig und geeignet sind, die
Wiederkehr solcher Vorkommnisse, wie sie in den Jahren 1863, 1864 und
1865 statlfanden, unmöglich, sowie die Grundsätze der Verfassung, daß
Staatsschulden nur mit vorgängiger Zustimmung des Reichsrathes contrahirt
werden dürsen und daß die Staatsschuld unter die Controle des Reichsraths
gestellt ist, zur Wahrheit zu machen; endlich zu bewirken, daß die Verwen-
dung der nur für bestimmte Zwecke bewilligten Credite für andere als die-
jenigen Zwecke, für welche sie bewilligt wurden, verhindert werde“.