Preußen und der nörddeutsche Bund. 163
„Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Unter-
suchungen und in concurs= und civilprocessualischen Fällen nothwendigen
Ausnahmen sind durch ein Bundesgesetz festzustellen.“
Der preuß. Bundescommissär erklärt, die Annahme des Antrags
könne das Zustandekommen des ganzen Gesetzes in hohem Grade
gefährden, worauf Lasker unter dem Beifall aller liberalen Parteien
bedauert, daß bei den gleichgültigsten Dingen immer auf solche Weise
gedroht werde und der Antrag in namentlicher Abstimmung mit
135 gegen 93 Stimmen angenommen wird.
19.—22. Oct. (Waldeck). Landtag: Der Accessionsvertrag mit Preußen
wird in erster Abstimmung mit 13 gegen 1 Stimme, in zweiter
Abstimmung mit 12 gegen 3 Stimmen angenommen und ebenso en
bloc die Militärconvention mit Preußen.
21. Oct. (Norddeutscher Bund). Der Reichstag nimmt das Post-
gesetz als Ganzes an. Der Vicepräsident des Bundesraths erklärt,
daß derselbe sich entschlossen habe, den Zusatz bez. Unverletzlichkeit
des Briefgeheimnisses nun doch anzunehmen. — Beginn der Debatte
über das Freizügigkeitsgesetz. Delbrück erklärt die Uebereinstimmung
des Bundesraths mit den meisten Abänderungsvorschlägen der Com-
mission und constatirt die Bereitwilligkeit des Bundespräsidiums,
dem Bundesrathe und dem nächsten Reichstage eine auf der Basis
der Gewerbefreiheit ruhende Gewerbeordnung für den Bund vorzulegen.
22,,.„ (Norddeutscher Bund). Der Reichstag beendigt das Frei-
zügigkeitsgesetz und ertheilt den Militärconventionen seine Genehmi-
gung. Debatte über den Gesetzesentwurf betr. einen außerordentl.
Geldbedarf zum Zwecke der Erweiterung der Bundeskriegsmarine
und der Herstellung der Küstenvertheidigung.
Der Gesetzesentwurf fordert für diesen Zweck die Bewilligung einer An-
leihe bis zur Höhe von 10 Mill. Thlrn. Die Motive bilden eine sehr um-
fängliche Denkschrift, die im wesentlichen dahin geht: Die Bundesverfassung
nehme das Vorhandensein, bez. die Gründung einer Bundesmarine an. Bei
dem durchgreisenden Einfluß, welchen der Seehandel auf das Leben der
Völker ausübe, bedürfe es keiner weiteren Darlegung, daß dem Seehandel
und der Küste der nothwendige Schutz gewährt werden müsse. Der Bund
dürse aber auch aus einem anderen zwingenden Grunde nicht länger zögern,
in die Reihe der größeren Seemächte einzutreten, damit er nämlich für alle
Zukunft seinen Einfluß in europäischen Angelegenheiten wahren könne, zumal
wenn diese nur zur See erreichbare Länder betreffen. Die maritime Bevöl-
kerung des Bundes wird für vollkommen ausreichend erachtet. Um möglichst
rasch über ein Stadium hinwegzukommen, in welchem die Flotte kriegerischen
Eventualitäten, selbst den kleinern Seemächten gegenüber, nicht gewachsen ist,
müssen die finanziellen und materiellen Kräfte des Bundes für die nächste
Zeit höher angespannt werden. Die Aufgaben der Marine werden dahin zu-
sammengefaßt: 1) Schutz und Vertretung des Seehandels Norddeutschlands
auf allen Meeren und Erweiterung seiner Rechte und Beziehungen; 2) Ver-
theidigung der vaterländischen Küsten und Häfen an der Nord= und Ostsee;
3) Entwicklung des eigenen Offensiv-Vermögens, nicht bloß zur Störung des
feindlichen Seehandels, sondern auch zum Angriff auf feindliche Flotten,
Küsten und Häfen. Um dieser Aufgabe zu entsprechen, muß die Flotte im
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