Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

306 Cektrreich 
Rechtsmitteln, mittelst Klage belangt werden. Dieses Klagerecht wird durch ein be- 
sonderes Gesetz geregelt. Art. 10. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Richter 
sind in Civil= und Strafrechts-Angelegenheiten mündlich und öffentlich. Die Aus- 
nahmen bestimmt das Gesetz. Im Strafverfahren gilt der Anklageproceß. Art. 11. 
Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, welche das Gesetz zu bezeichnen 
hat, sowie bei allen politischen oder durch den Inhalt einer Druckschrift verübten 
Verbrechen und Vergehen entscheiden Geschworne über die Schuld des Angeklagten. 
Art. 12. Für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder besteht der 
oberste Gerichts= und Cassationshof in Wien. Art. 13. Der Kaiser hat das Recht, 
Amnestie zu ertheilen und die Strafen, welche von den Gerichten ausgesprochen 
wurden, zu erlassen oder zu mildern, sowie die Rechtsfolgen von Verurtheilungen 
nachzusehen, mit Vorbehalt der im Gesetze über die Verantwortklichkeit der Minister 
enthaltenen Beschränkungen. Die Regelung des Rechtes, anzuordnen, daß wegen 
einer strafbaren Handlung ein strafgerichtliches Verfahren nicht eingeleitet oder das 
eingeleitete Strafverfahren wieder eingestellt werde, bleibt den Vorschriften der 
Strasfproceß-Ordnung vorbehalten. Art. 14. Die Rechtspflege wird von der Ver- 
waltung in allen Instanzen getrennt. Art. 15. In allen Fällen, wo eine Ver- 
waltungsbehörde nach den bestehenden oder künftig zu erlassenden Gesetzen über 
einander widerstreitende Ansprüche von Privatpersonen zu entscheiden hat, steht es 
dem durch diese Entscheidung in seinen Privatrechten Benachtheiligten frei, Abhilfe 
gegen die andere Partei im ordentlichen Rechtswege zu suchen. Wenn außerdem 
Jemand behauptet, durch eine Entscheidung oder Verfügung einer Verwaltungsbehörde 
in seinen Rechten verletzt zu sein, so steht ihm frei, seine Ansprüche vor dem Ver- 
waltungs-Gerichtshofe im öffentlichen mündlichen Verfahren wider einen Vertreter 
der Verwaltungsbehörde geltend zu machen. Die Fälle, in welchen der Verwaltungs- 
Gerichtshof zu entscheiden hat, dessen Zusammensetzung, sowie das Verfahren vor 
demselben werden durch ein besonderes Gesetz bestimmt. 
  
VI. 
Staatsgrundgesetz vom 21. December über die Ausübung der 
Regierungg- und der Vollzugggewalt. 
Art. 1. Der Kaiser ist geheiligt, unverletzlich und unverantwortlich. 
Art. 2. Der Kaiser übt die Regierungsgewalt durch verantwortliche Minister und 
die denselben untergeordneten Beamten und Bestellten aus. Art. 3. Der Kaiser 
ernennt und entläßt die Minister und besetzt auf Antrag der betreffenden Minister 
alle Aemter in allen Zweigen des Staatsdienstes, insoferne nicht das Gesetz ein Au- 
deres verordnet. Art. 4. Der Kaiser verleiht Titel, Orden und sonstige stae tliche 
Auszeichnungen. Art. 5. Der Kaiser führt den Oberbefehl über die bewaffnete 
Macht, erklärt Krieg und schließt Frieden. Art. 6. Der Kaiser schließt die Staats- 
verträge ab. Zur Giltigkeit der Handelsverträge und jener Staatsverträge, die das 
Reich oder Theile desselben belasten oder einzelne Bürger verpxflichten, ist die Zu- 
stimmung des Reichsrathes erforderlich. Art. 7. Das Münzrecht wird im Namen 
des Kaisers ausgeübt. Art. 8. Der Kaiser leistet beim Antritte der Regierung in 
Gegenwart beider Häuser des Reichsrathes das eidliche Gelöbniß: „Die Grundgesetze 
der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder unverbrüchlich zu halten und 
in Uebereinstimmung mit denselben und den allgemeinen Gesetzen zu regieren.“ 
Art. 9. Die Minister sind für die Verfassungs= und Gesetzmäßigkeit der in die
	        
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