Die süddeutschen Staaten. 137
Wahlrecht fälschenden Schöpfung, welche auf Ausdehnung des Nordbunds
gegen den Süden berechnet ist, läge der Verzicht auf den großdeutschen Ge-
danken, wie auf den Föderalismus und das Selbstbestimmungsrecht des deut-
schen Volkes, welchem der norddeutsche Fürstenbund widerspricht. Der Zweck
des Widerstands gegen die drohende Verpreußung wird durch eine Kundgebung
der Volksmeinung besser erreicht, als durch das Auftreten württembergischer
Abgeordneter im Parlament selbst. Ihr Eintritt würde als factische Zu-
stimmung verstanden, und ihre Thätigkeit würde bei der Zusammensetzung
des Parlaments der Freiheit wie dem Wohle Deutschlands gefährlich, auf
Befestigung des Militarismus gerichtete Beschlüsse aber nicht verhüten können.“
7. Jan. (Württemberg). Die II. Kammer genehmigt die neue Civil-
prozeßordnung en bloe mit 79 gegen 2 Stimmen und beschließt
mit 77 gegen 3 Stimmen die Abschaffung der körperlichen Züchtigung.
8.1. (Baden). Die offiziöse Karlsr. Ztg. weist die Vorwürfe des
amtlichen Württ. Staatsanz. bez. der Zollvereinsfrage in einem ge-
harnischten Artikel auf's entschiedenste zurück:
Die auch von den bädischen Ministern unterzeichnete „öffentliche Erklä-
rung" badischer Kammermitglieder vom 20. Dec. 1867 enthalte nichts we-
niger als eine Aufforderung zum „Vertragsbruch.“ Jene „Erklärung“ ver-
langle nur „viertens: die Wege zu suchen, auf denen theils die Ausbildung,
theils die erforderliche Erweiterung der Competenzen der Zollunion, und
daher des Zollparlaments, am ehesten zu erreichen ist, insbesondere mit Bezug
auf Freizügigkeit, Heimats- und Niederlassungsverhältnisse, Paßwesen, Colo-
nisation, Auswanderung,, Gesetze über Handels- und Wechselrecht, ein gemein-
sames Maß-, Münz- und Gewichtssystem, Erfindungspatente, Schifffahrt,
Consularwesen, Eisenbahnverbindungen, Posten, Telegraphen, und derartige
gemeinsame Interessen des wirthschaftlichen und bürgerlichen Verkehrs (vergl.
Art. 4 der Verfassung des Nordbundes).“ „Man kann, wenn man überhaupt
eine Einigung auch nur auf dem Gebiet materieller Interessen, eine Aus-
dehnung der Befugnisse des Zollbundesraths und des Zollparlaments anstrebt,
die Aufgabe der badischen Abgeordneten und des Zollparlaments nicht beschei-
dener und zurückhaltender stellen, als durch die Zumuthung, „die Wege zu
suchen, auf denen dieses Ziel am ehesten zu erreichen ist.“ Daß dieses Ziel,
da wo vom Völkerrecht oder Staatsrecht der Vertragsweg vorgezeichnet ist,
auf anderm Weg erreicht werden wolle, steht nirgends, und wird in dem
Artikel des „Staatsanzeigers“ nur durch die handgreiflichsten Sophismen in
die „öffentliche Erklärung“ hineindemonstrirt. Daß sich andere national ge-
sinnte Leute von dem Zollparlament einen heilsamen Druck auch auf
Widerwillige versprechen, hat die „öffentliche Erklärung" nicht zu verantworten.
Das württembergische Ministerium sucht nicht nur „Wege zur Ausbildung“
der württembergischen Verfassung, sondern hat Vorlagen hierüber schon aus-
gearbeitet. Fällt es einem mit fünf Sinnen begabten Menschen ein, das
Ministerium deßhalb des Verfassungsbruches zu beschuldigen?" Im übrigen
meint das Organ der badischen Regierung bez. der Sache selbst: „Daß der
Zollvereinsvertrag mit seinem Bundesrath und Parlament noch weiterer Aus-
bildung und zur Aufnahme eines reicheren Inhalts fähig sei, weiß und hofft,
außer einigen württembergischen Blättern, nicht nur das ganze deutsche Volk,
sondern es ergibt sich dieß auch z. B. aus Art. 8 § 2 des Vertrags, wo-
nach der Bundesrath drei Ausschüsse 1) für Zoll- und Steuerwesen, 2) für
Handel und Verkehr, 3) für Rechnungswesen bildet. Es wird dem „Staats-
anzeiger“ schwerlich gelingen, den zweiten, aus dem Präsidium und minde-
stens vier Vereinsstaaten gebildeten Ausschuß, dem außer seinen Mitgliedern
noch die nöthigen Beamten zur Verfügung gestellt werden sollen, auf die
Dauer brach zu legen.“