Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

Die sũddeutschen Staaten. 139 
17. Jan. (Baden). Die II. Kammer tritt mit allen gegen 3 Stimmen 
 
 
 
dem Beschlusse der I. Kammer bei, die Regierung um Vorlegung 
eines Gesetzesentwurfs über bürgerliche Standesbeamtung und ob- 
ligatorische Civilehe wo möglich noch auf dem gegenwärtigen Land- 
tage zu ersuchen. 
18.1. (Württemberg). II. Kammer: Kriegsdienstgesetz. Der Kriegs- 
minister gibt 
„im Namen der Staatsregierung und mit Genehmigung des Königs die 
Erklärung ab, daß die Regierung bereit sei, zuzugeben, daß in dem vorlie- 
genden Entwurf eines Kriegsdienstgesetzes eine Bestimmung ausgenommen 
werde, wonach, außer bei den Unteroffizieren und der Reiterei, die Dauer der 
Präsenz im activen Heer zwei Jahre nicht überschreiten solle.“ 
Die von der demokratischen Minderheit beantragte en bloc Ver- 
werfung wird daraufhin mit 47 gegen 41 Stimmen abgelehnt und 
in die Detailberathung der Vorlage einzutreten beschlossen. 
19.1. (Bayern). Landtag: Der Kriegsminister ruft die Referenten 
beider Kammern und die einflußreichsten Führer der II. Kammer 
zusammen, um eine Vermittlung und Verständigung über die zwischen 
beiden Kammern streitigen Punkte des Wehrgesetzes zu erzielen. 
Es wird beschlossen, den Kammern folgende Fassung des Art. 2 vorzu- 
schlagen: „Die active Armee soll bis zum 31. Dec. 1871, ohne Einrechnung 
der Offiziere, Militärbeamten und Ersatzmannschaften, ein Prozent der Be- 
völkerung des Königreichs nach der Zählung von 1867 betragen. Vom 1. 
Jan. 1872 an wird die Zahl der jährlich im Frieden in die active Armee 
zur Herstellung des Formationsstandes, ohne Einrechnung der Ersatzmann- 
schaften, einzureihenden Wehrpflichtigen gesetzlich im Finanzgesetz festgestellt" 
und bez. Art. 19 sich darauf zu beschränken, „an Se. Maj. den König die 
Bitte zu richten, die Thunlichkeit in Erwägung zu ziehen, ob und in welcher 
Weise das Beförderungs- und Pensionswesen gesetzlich zu regeln sei." 
20.1. (Württemberg). II. Kammer: Kriegsdienstgesetz: Mohls 
Antrag, die Stellvertretung beizubehalten, wird mit 55 gegen 27 
(meist demokratische) Stimmen verworfen. 
20. — 21. Jan. (Baden). II. Kammer: Debatte über das Contingents- 
gesetz. 
Der von dem ursprünglichen Entwurfe der Regierung theilweise abweichende 
Commissionsantrag setzt die Friedenspräsenzstärke der badischen Truppen 
ohne die Offiziere etc. auf 14.000 Mann, also 1% der Bevölkerung (im Kriege 
das doppelte) an, nebst einer Landwehr von 8000 Mann. Die jährliche Aus- 
hebung soll 3700 Mann nicht übersteigen und die Festsetzung des wirklichen 
Bedarfs durch Regierungsverfügung erfolgen. Das Gesetz soll mit dem 31. 
Dec. 1870 außer Kraft treten. Der Commissionsbericht (des Abg. Lamey) 
meint dazu: Die politische Lage fordere eine möglichst hohe Anspannung der 
Kräfte, und diese Forderung werde gestellt, Baden möge einer politischen 
Richtung folgen, welcher es wolle, sofern das Land nicht vorziehe, künftige 
Ereignisse lediglich als Object über sich ergehen zu lassen und den Geschicken 
Deutschlands unthätig und gesinnungslos zuzuschauen. Der Süden könne 
sich bei möglichen großen Verwicklungen nicht selbst vertheidigen, er sei auf 
den Schutz des Nordbundes angewiesen; um nicht als ärmlicher Schützling, 
sondern als ebenbürtiger Bundesgenosse, wenn auch nur nach Verhältniß der 
Kräfte, dazustehen, müsse der Süden, müsse Baden, das ja vor Allem die
	        
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