Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

142 Die sũddeutschen Staaten. 
1. Febr. (Baden). II. Kammer: Debatte über das außerord. Budget 
für die Jahre 1868 und 1869. Dasselbe beträgt beinahe 8 Mill., 
mehr als das vierfache des bisherigen Extraordinariums. Das Kriegs- 
ministerium ist dabei für Bekleidung, Ausrüstung, Kasernen etc. mit 
beinahe 5 Mill. betheiligt. Die Kammer setzt die Ziffer mit Zu- 
stimmung der Regierung auf 34 Mill. herab. 
4.2.  (Baden). Ministerpräsident Matthy +. 
6.2.  (Württemberg). Die II. Kammer genehmigt das Rekruti- 
rungsgesetz, das der Regierung für die Jahre 1868—70 eine Aus- 
hebung von jährlich 5800 statt wie bisher von bloß 4600 Mann 
gestattet, mit 45 gegen 42 Stimmen. 
7.2.  (Württemberg). I. Kammer: Kriegsdienstgesetz. Für die Rei- 
terei und die Unteroffiziere wird eine dreijährige Präsenzzeit im 
Frieden beschlossen und werden die von der II. Kammer abgelehnten 
Controlversammlungen der Landwehr wieder hergestellt, dagegen wird 
mit 24 gegen 6 Stimmen auf den Antrag des Herrn v. Neurath 
bestimmt, daß „der Aufruf der Landwehr nur kraft eines besonderen 
Gesetzes geschehen darf.“ 
8.2.  (Württemberg). I. Kammer: Kriegsdienstgesetz. Die von der 
II. Kammer in das Gesetz hineingebrachte Begünstigung der Jugend- 
wehren wird gestrichen. 
8.2.  (Baden). Die I. und II. Kammer verständigen sich über die 
zwischen ihnen noch bestehenden Differenzen bez. des Schulgesetzes, 
des Preßgesetzes und des Ministerverantwortlichkeitsgesetzes. 
Nach dem Preßgesetze sind künftig sämmtliche Preßgewerbe frei, Con- 
cessionspflicht und Concessionstaxe sind gefallen; zur Eröffnung einer Druckerei 
bedarf es lediglich der Anzeige bei der Polizeibehörde. Die gerichtliche 
Haftbarkeit (Herausgeber, Verleger, Drucker) ist so ziemlich die alte. Nur 
ist ausdrücklich festgestellt, daß diese Personen nicht gezwungen werden können, 
den Verfasser zu benennen. Ebenso ausdrücklich ist ausgesprochen, daß sog. 
Strohmänner als Redacteure vom Gericht nicht angenommen werden. Es 
haftet also stets Verleger und Drucker in ernsthafter Weise, wo nicht ein 
wirklicher Herausgeber (Redacteur) nachgewiesen werden kann. Auch künftig 
kann die Polizeibehörde in Fällen, wo es sich um ein vom Staatsanwalt zu 
verfolgendes Vergehen handelt und Gefahr auf dem Verzug ist, noch Beschlag- 
nahme verfügen. Sie haftet aber drei Monate lang vor dem bürgerlichen 
Richter dem durch die Beschlagnahme Beschädigten, sofern der Beschlag von 
ihr vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit ohne genügenden Grund verfügt 
wurde. Das Verbot einer Zeitung kann nur auswärtige Zeitungen treffen, 
kann nur von dem Ministerium des Innern bis auf die Dauer von zwei 
Jahren ausgesprochen werden, und zwar nur für den Fall, wenn das Blatt 
von einem Gericht verurtheilt wurde, ohne dem Urtheil Genüge zu leisten. 
Die Verweisung der Preßvergehen an die Geschwornen scheiterte dagegen am 
Widerstande der I. Kammer. Die II. Kammer verlangt daher von der Re- 
gierung die Vorlage eines Gesetzes an den nächsten Landtag, wonach politische 
Vergehen überhaupt den Schwurgerichten übergeben werden sollen. 
Das Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister hat die 
Form von Zusätzen zu § 67 der Verfassung. Das Recht der Anklage steht
	        
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