Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

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Die süddentschen Staaten. 
meines Kriegsministeriums, seiner jetzigen Dienststellung.“ Durch ein zweites 
Edict werden sämmtliche Räthe des Kriegsministeriums in Ruhestand versetzt, 
durch ein drittes der Major Dornseiff (schon bisher Vorsteher der Intendantur) 
mit der „provisorischen Leitung des Kriegsministeriums“ beauftragt. 
16. April. (Baden). Die Regierung erläßt ein provisorisches Gesetz die 
 
 
Militärstrafrechtspflege betreffend, dessen Verfassungsmäßigkeit stark 
bezweifelt wird, jedenfalls den Anschauungen und Wünschen der 
II. Kammer keine Rechnung trägt. 
Vor den letzten Landtag hatte die badische Regierung eine Reihe von 
Gesetzentwürfen gebracht, welche die Einführung der preußischen Militärstraf- 
gesetzgebung in Baden bezweckten. Die drei Vorlagen eines Militärstrafgesetz- 
buchs, einer Militärstrafprozeßordnung und eines Gesetzes über die Ehren- 
gerichte der Offiziere waren auch in der ersten Kammer zur Verhandlung 
gekommen und mit einigen unwesentlichen Abänderungen von ihr angenommen 
worden. Dagegen blieben die Vorlagen bei der zweiten Kammer unerledigt, 
obgleich dieselbe eine Commission zu deren Berathung niedergesetzt und diese 
Commission mehrfache Verhandlungen mit den Vertretern der Regierung ge- 
pflogen hatte. Die von der Kammer bestellte Commission erklärte der Re- 
gierung: sie würde die Annahme der Entwürfe, namentlich der Militärstraf- 
gerichtsordnung, in wesentlich ungeänderter Gestalt nicht befürworten können, 
vielmehr zu tief greifenden Abänderungsvorschlägen genöthigt sein; sie glaube 
aber von solchen um so mehr abstehen zu sollen, als, wenn auch eine Aende- 
rung des bisherigen Zustandes als wünschenswerth anerkannt werde, doch ein 
so dringendes Bedürfniß zu alsbaldigen Aenderungen nicht vorliege, um nicht 
mindestens bis zum nächsten Landtage zuwarten zu können. Würde aber die 
Regierung auf der möglichst unveränderten Annahme der Vorlagen bestehen, 
so müsse eine Verwerfung der gesammten Gesetzentwürfe von Seiten der 
Kammer, höchst wahrscheinlich begleitet von einer der nationalen Politik der 
Regierung wenig förderlichen Debatte, in sichere Aussicht gestellt werden. 
Unter diesen Umständen entschloß sich das Kriegsministerium, in der bald 
gewonnenen Ueberzeugung, daß in der That eine fast einstimmige Ablehnung 
der Vorlagen zu gewärtigen sei, die Sache auf sich beruhen zu lassen. In 
der Kammer konnte man überhaupt nicht finden, daß die Gemeinsamkeit der 
Militärstrafgesetzbücher im Frieden ein nothwendiges Correlat einer, wenn 
auch noch so innigen, militärischen Allianz zweier Staaten sei. Und daß man 
unter solchen Umständen an die ohnehin mißliche Frage der Militärgerichts- 
barkeit nicht die Hand legen wollte, war bei der Unklarheit der politischen 
Lage wohl begreiflich. Erlangte Baden den erstrebten Eintritt in den nord- 
deutschen Bund, so mußte es selbstverständlich mit der Bundesverfassung auch 
die gesammte preußische Militärgesetzgebung annehmen. Blieb aber Baden in 
der Lage, seine militärischen Angelegenheiten nach eigenem Ermessen ordnen 
zu müssen, so war für die Kammer kein zwingender Grund vorhanden, ein 
Gesetzbuch gutzuheißen, dessen Inhalt sie zum großen Theil perhorrescirte. 
Das nunmehr erlassene provisorische Gesetz besteht nun aus zwei Theilen, deren 
größerer trotzdem dem im September den Ständen übergebenen Entwurf der 
Militärstrafgerichtsordnung, deren kleinerer dem gleichzeitig vorgelegten Ent- 
wurf des Militärstrafgesetzbuchs entnommen ist. 
20.4. (Bayern). Die II. Kammer fügt sich, nachdem sie umsonst 
versucht, gegenüber dem Reichsrathe auf ihrem Beschlusse zu beharren, 
dem letztern und begnügt sich mit der bloßen Nothcivilehe in dem 
Gesetz über die Ehen von Dissidenten. 
21.4. (Baden). Preußische Offiziere werden berufen, um die Land- 
wehr wie in Preußen und dem nordd. Bunde zu organisiren.
	        
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