Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

Die sũddeutschen Staaten. 157 
— April. (Hessen). Preußische Offiziere richten die Militärverwal- 
 
 
tung ein. 
26.4. (Bayern). Eine Anzahl demokratischer Gesinnungsgenossen 
beschließen in Nürnberg, auf Grund des nachstehenden Programms 
die Organisation der „Volkspartei" auch in Bayern in die Hand 
zu nehmen: 
„§ 1. Die Volkspartei gründet sich auf die Principien der Freiheit, Gleichbe- 
rechtigung und Brüderlichkeit. § 2. Sie unterscheidet sich von den übrigen Par- 
teien durch das Ringen nach steter Erweiterung der Freiheit, durch das Festhal- 
ten an der Gerechtigkeit und durch die Verpflichtung, die freiheitlichen Principien 
keinem anderen Interesse unterzuordnen. § 3. Die Volkspartei will auf dem 
nationalen und internationalen Gebiete die Bewegungen des wirthschaftlichen, 
religiösen und politischen Lebens von allen Beschränkungen befreit wissen, die 
nicht von der Rücksicht auf das Gesammtwohl als unerläßliche gefordert wer- 
den. Sie will, daß der Staat sich die Förderung des Wohles jedes seiner 
Angehörigen zur Aufgabe setze; sie will Gleichberechtigung für die Individuen, 
Selbstregierung für die Gemeinden und nur durch das Nationalinteresse be- 
schränkte Selbstbestimmung für die Einzelstaaten; sie will alle deutschen 
Stämme auf demokratisch-föderativer Grundlage zur Nation und die Nation 
durch Freiheit zu einem Friedensbunde vereinigt sehen. § 4. Die Mittel und 
Wege zur Erreichung ihrer Ziele erblickt die Volkspartei in einer planmäßi- 
gen, von Gemeinsinn durchdrungenen Thätigkeit des zum Selbstbewußtsein 
geweckten Gesammtvolks, und als Mittel zur Anregung und Erhaltung dieser 
Thätigkeit sollen Vereine und Versammlungen, sowie Preßorgane benützt werden.“ 
27.4. (Bayern). II. Kammer: Budget, ordentlicher Militär-Etat. 
Die Regierung verlangt dafür unter sieben Titeln die Gesammt- 
summe von 16,057,866 fl. Der Budgetausschuß beantragt, bei 
Titel 1 für stehendes Heer und Landwehr 816,455 fl. zu streichen und 
weitere 265,947 fl. auf den außerordentlichen Etat zu übertragen 
und bei Titel VI 26,000 fl. (für die Festung Landau) zu streichen. 
Debatte: Der Referent constatirt zunächst, daß das ordentliche Budget 
für die active Armee im früheren Budget 9,500,000 fl. betragen habe, jetzt 
aber 14,095,000 fl. gefordert würden, also 4½ Mill. mehr und begründet die 
beantragten Abstriche. Der Kriegsminister erklärt, daß ein Abstrich von 
550,000 fl. die äußerste Grenze sei, bei welcher, zwar mit einer nicht wün- 
schenswerthen Beschränkung des Zwecks, aber dennoch ohne tiefgreifende Be- 
schädigungen der Armee die Aufgabe des Kriegsministeriums erfüllt werden 
könne, und auch das nur, wenn er freie Hand habe, in welcher Weise die 
abzustreichende Summe zu vertheilen und einzubringen sei. Referent: Der 
Ausschuß habe eben die vom Kriegsminister angenommene Präsenzzeit von 
2 Jahren auf 18 Monate abgemindert. Dieser Abstrich sei schon bisher allen 
Militärbudgets seit 1850 zu Grunde gelegt worden und werde immer von 
der k. Staatsregierung bekämpft, doch constatirten die Rechnungsausweise, 
daß die Präsenzzeit in Wirklichkeit nie mehr als 17, höchstens 18 Monate 
betragen habe. 
Bei der Abstimmung wird der vom Ausschusse beantragte Ab- 
strich einstimmig genehmigt; für das volle Regierungspostulat erhebt 
sich dagegen auch nicht eine Stimme. Ebenso wird das Postulat 
für Landau gestrichen und beschlossen: „Se. Maj. der König möge 
Anordnungen zu treffen geruhen, daß die Festungseigenschaft Lan- 
dau's aufgehoben werde“.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.