Die süddeutschen Staaten. 161
Die rechtliche Sachlage ist nach der Anschauung der badischen Regierung
folgende: Im März 1818 wurden zu Frankfurt a. M. die Conferenzen von
Abgeordneten einer großen Zahl deutscher protestantischer Regierungen eröffnet,
deren Zweck es war, gemeinschaftliche Normen für die äußere Reorganisation
der katholischen Kirche in den betreffenden Staaten und für das Verhältniß
des Staats zur Kirche festzustellen. Man einigte sich über „Grundzüge zu
einer Vereinbarung über die Verhältnisse der katholischen Kirche in deutschen
Bundesstaaten", in welchen auch Bestimmungen getroffen waren über die Bi-
schofswahlen. Darnach sollte ein Wahlcollegium, das zur einen Hälfte aus
den Mitgliedern des betreffenden Domkapitels, zur andern aus Abgeordneten
der Landdekane bestände, eine Liste von drei Candidaten aufstellen. Aus dieser
Liste habe dann der Landesherr den Bischof zu ernennen, und der Papst den
Ernannten innerhalb einer bestimmten Frist zu bestätigen. Es war voraus-
zusehen, daß der Papst diese „Grundzüge“, welche ihm durch eine Gesandt-
schaft der vereinten Regierungen zur Bestätigung unterbreitet wurden, weit
von sich weisen, daß er zu deren Ausführung unter keiner Bedingung seine
Hand bieten würde. In der That kam zunächst eine Vereinbarung nicht zu
Stande. Zwar vereinigte man sich über die Errichtung der oberrheinischen
Kirchenprovinz und über die äußere Abgrenzung der einzelnen Diöcesen, da-
gegen zogen sich die Verhandlungen über das Verhältniß des Staats zur
Kirche und ihrer Verwaltung durch mehrere Jahre fruchtlos hin. Endlich
stellte der Papst am 16. Juni 1825 den Regierungen der oberrheinischen
Kirchenprovinz (Württemberg, Baden, beide Hessen, Nassau, Hohenzollern
und Frankfurt a. M.) ein Ultimatum, worin das Maß der Einwirkung
der Regierungen auf die Kirche, welches der Papst zugestehen wollte, in sechs
Punkten genau umschrieben war. Unter diesen Punkten fand sich auch die
Wahl der Bischöfe. Der Papst erklärte sich zu folgender Concession bereit:
das Domkapitel reicht der betr. Regierung eine Liste von Candidaten ein,
aus der die Regierung diejenigen Namen streichen kann, welche ihr minus
grata sind. Jedoch muß die Regierung so viel Namen auf der Liste stehen
lassen, daß eine Wahl von dem Kapitel noch vorgenommen werden kann.
Auf dieses. Ultimatum antworteten die vereinten Regierungen mit einer Note
vom 7. Sept. 1826. Sie erklärten in Bezug auf die bischöflichen Wahlen:
den Vorschlag des Papstes nur annehmen zu können, wenn Vorsorge getroffen
werde, daß niemand, welcher den Regierungen persona minus grata sei, den
bischöflichen Stuhl besteigen könne. Zu diesem Zweck solle der Papst die
Domkapitel durch einen Erlaß anweisen, sich vor einer Bischofswahl mit den
Regierungen ins Einvernehmen zu setzen, damit die Wahl nur auf Personen
falle, welche die Zustimmung der Regierung haben (à s'entendre avec les
gouvernements respectifs avant L’élection aux sièges épiscopaux, afin
que le choix ne tombe que sur des personnes qui aient l’agrément
des gouvernements). In der päpstlichen Antwort vom 6. Januar 1827
wird versprochen, diese Bedingung zu erfüllen, und ein ähnliches Breve, wie
es am 16. Juli 1821 an die Kapitel der westlichen preußischen Bisthümer
erlassen worden sei, an die Kapitel der Bisthümer der oberrheinischen Kirchen-
provinz zu senden. In Folge dieses Versprechens kam dann die Ueberein-
kunft zu Stande, auf Grund deren die Bulle Ad dominicil gregis custo-
diam am 11. April 1827 erlassen wurde. In Betreff der Bischofswahlen
wurde zwar die Bestimmung aufgenommen, wie sie das Ultimatum vom
16. Juli 1821 festgesetzt hatte. Aber wenige Wochen später kam der Papst
seinem Versprechen nach und erließ an das Domkapitel von Freiburg am
28. Mai 1867 das betreffende Breve. Darin wies er die Domherren an,
bei einer erzbischöflichen Wahl nur solche zu wählen, von denen sie sich vor
dem feierlichen Wahlakt versichert haben, daß sie der Regierung nicht per-
sonae minus gratae seien (Vestratum erit partium eos adsciscere duos
ante solemnem actum noveritis... nec Serenissimo principi minus
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