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Die süddeutschen Staaten.
gratos esse). Hierdurch ist also die beschränkende Bestimmung der Bulle
Ad dominiei gregis custodiam aufgehoben worden. Die Note vom 7.
September 1826 und das Breve vom 28. Mai 1827 sprechen es mit klaren
unzweideutigen Worten aus: daß der Gewählte der Regierung persona grata
sein müsse. Der Papst hat sich durch das Breve verpflichtet, Niemandem die
Institution zu ertheilen, gegen den die Regierung Einsprache erhoben hat.
Daß der Regierung ein unbeschränktes Einspruchsrecht zusteht, wird auch da-
durch bewiesen, daß das Breve vom 16. Juli 1821 an die westlichen preu-
ßischen Domkapitel wörtlich übereinstimmt mit dem Breve vom 28. Mai 1827.
Daß dieses Breve aber der preußischen Regierung die Befugniß ertheilt, ohne
Ausnahme jede ihr nicht wohlgefällige Person von der Wahl auszuschließen,
wird kaum mehr bestritten. Bulle und Breve sind keine freien Erlasse des
Papstes, sie ruhen vielmehr in allen ihren Bestimmungen auf Vereinbarungen
mit den Regierungen; der Papst kann sie folglich nicht einseitig aufheben.
Die Regierung gab ihre Zustimmung zu der Bulle nur unter der Bedingung,
daß ihr ein unbeschränktes Einspruchsrecht gegen die Candidaten zu einer
bischöflichen Wahl zustehe. In der Bulle ist zwar dieses Recht beschränkt,
in dem später erlassenen Breve aber dem früheren Versprechen gemäß diese
Beschränkung wieder aufgehoben. Darauf stützt sich die badische Regierung
und behauptet, daß ihr das Recht zustehe, Niemanden als Erzbischof zuzu-
lassen, der ihr nicht persona grata ist.
-- Juni. (Württemberg). Beginn der Agitation für die Neuwahlen
zur II. Kammer. Die Regierungspartei und die demokratische Volks-
partei gehen wieder entschieden auseinander.
Programm der Volkspartei. Dasselbe sagt über die deutsche Frage:
„Der Sieg, den das württembergische Volk durch die Wahlen zum Zollparla-
ment über auswärtige wie innere Feinde seiner Selbständigkeit, Freiheit und
Wohlfahrt errungen hat, muß durch einen zweiten bei den nunmehr heran-
rückenden Landtagswahlen vervollständigt werden. Der einfache Schlachtruf:
„Kein Preuße!“ genügt dießmal nicht, vielmehr gilt es, den Gedanken, welcher
das Votum vom 24. März beherrscht hat, nun nach allen Seiten zu ent-
wickeln; aus der das gewaltsame Werk von 1866 verneinenden Abstimmung
müssen deren positive Folgerungen gezogen und als Forderungen unseres
Volkes aufgestellt und durchgeführt werden, sowohl hinsichtlich des Verhältnisses
zum deutschen Vaterland, als in unseres Landes inneren Angelegenheiten.
Die Verneinung des Anschlusses an den Nordbund führt unmittelbar zur
Forderung des Südbundes. In der gegenwärtigen Vereinzelung, welche
sie in nationalen und internationalen Dingen einflußlos und wehrlos macht,
dürfen die Südstaaten nicht länger verharren, ohne der preußischen Ver-
gewaltigung oder einem traurigen dynastischen Particularismus
und unter Umständen der schmachvollen Rolle zu verfallen, welche einst nach
der ersten Zertrümmerung des Reiches die Rheinbundstaaten gespielt
haben. Bei dem gegenwärtigen Zustand können sich höchstens die Fürsten
beruhigen, obgleich sich auch von ihrer Seite darin eine unbegreifliche Sorg-
losigkeit und Kurzsichtigkeit verräth; das Volk der Südstaaten aber muß ver-
langen: eine Centralgewalt mit parlamentarischer Vertretung, welche über den
einzelnen Regierungen steht, und eine gemeinsame Militärverfassung, um so-
wohl den übrigen Theilen Deutschlands, als namentlich einem etwa einmischungs-
süchtigen Ausland gegenüber die natürliche Macht zu entwickeln, welche der
geeinigte Süden besitzt. Damit die innere Freiheit nicht unter der militäri-
schen Zusammenfassung leide, muß diese auf volksthümlicher Grundlage nach
Art des schweizerischen Milizwesens geschaffen werden. Mit dem Bestand des
Südbundes ist allerdings derjenige eines einzelnen Schutz- und Trutzbündnisses
mit Preußen, welches zudem in Württemberg die ständische Zustimmung nicht