Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

Die süddeutschen Staaten. 163 
auf verfassungsmäßigem Wege erhalten hat, so wie die fernere politische Aus- 
beutung des Zollvereins zu particular-preußischen Zwecken unvereinbar. 
Aber der Südbund bietet jetzt das einzige ehrliche Mittel, das durch Preußen 
zerrissene und dreigetheilte Deutschland ohne Anwendung der Gewalt so weit 
wieder zu einigen, daß wenigstens die Unversehrtheit desselben gegen Angriffe 
und die Selbstbestimmung der Nation gegen Einmischungen von Außen ge- 
sichert wird. Die zum Zusammenhalt der Nation nothwendigen Maßregeln 
können durch die Volksvertretungen des norddeutschen und süddeutschen Bun- 
des und des deutschen Oesterreichs gemeinsam ausgeführt werden. Nach dieser 
Richtung liegt zunächst Deutschlands Heil, und wer nicht in diesem Sinn 
der Wiederherstellung einer wahren, mit der Freiheit vereinbaren, bundes- 
staatlichen Einheit dienen zu wollen, klar und bündig ausspricht, der darf bei 
den württembergischen Landtagswahlen die Stimmen der Wähler nicht er- 
halten.“ Im Uebrigen verlangt das Programm: neben Schaffung eines Süd- 
bundes mit Centralgewalt, Parlament und gemeinsamer, nach dem Muster der 
Schweizer Miliz gebildeten Militärverfassung, Vernichtung der hiemit unver- 
einbaren Verträge, des Schutz- und Trutzbündnisses und des Zollvereinsver- 
trags, Abänderung der Verfassung, namentlich Abschaffung der ersten Kammer, 
Ausstoßung aller Privilegirten aus der Ständeversammlung, Forderung voller 
Redefreiheit für die Abgeordneten, Durchsetzung des unbeschränkten Rechts 
zum Gesetzesvorschlag und zu Vornahme parlamentarischer Untersuchungen, 
Abkürzung der ständischen Perioden, Abänderung des Wahlgesetzes für den 
Landtag, Abänderung der Gesetze über innere Verwaltung und Gemeinde- 
wesen, Aufhebung aller Schranken der Selbstverwaltung des Volks und Ab- 
schaffung der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher. 
Der offizielle Staatsanzeiger antwortet darauf: „. . . .  Es braucht 
keine Begründung, daß der „Beobachter“ sich in entschiedenen Widerspruch zu 
der Regierung setzt, und alle, welche auf eine Verbindung derselben mit der 
Demokratie aus dem Zusammentreffen der nächsten Ziele bei der Zollparla- 
mentswahl geschlossen haben, werden nun eines Bessern belehrt sein.“ . . . 
Bezüglich des Schlagworts, daß kein „Preuße“ gewählt werden dürfe: „Als 
es sich darum handelte, ob im Zollparlament zu Berlin der Boden der 
Verträge verlassen und das Land durch dortige Fortsetzung der Manifesta- 
tionen einer kleinen unterwerfungssüchtigen Partei in den Nordbund gedrängt 
werde, da bedurfte es einer großartigen entschiedenen Kundgebung des Volks, 
um von dessen wahrem Willen auch die verblendeten Gegner zu überzeugen, 
und sie erfolgte, indem kein Mitglied oder Anhänger jener Partei ein Mandat 
erhielt, das ihm gestattet hätte, eine Täuschung über die wahre Stimmung 
des württembergischen Volks hervorzubringen. Etwas anders aber liegt 
die Sache jetzt. Die Regierung steht in ihrer Politik vollkommen auf 
demselben Standpunkt, wie zur Zeit der Zollparlamentswahl; sie kann es 
nicht erwünscht finden, daß jene extremen Parteimänner, welche die Selbst- 
ständigkeit unseres Staates zu vernichten streben, als Abgeordnete in den 
Landtag treten, und hier die Erörterung von Fragen herbeiführen, durch 
welche nichts gut gemacht, nichts entschieden, sondern nur der Parteihaß ge- 
schürt und dem Fortgang dringender innerer Reformen geschadet werden kann. 
Daß aber gerade in den letzteren Angelegenheiten jeder tüchtige, gemäßigte 
Mann als Abgeordneter nützlich wirken kann, wenn er nur den Vertrags- 
standpunkt als Abschnitt der politischen Entwicklung anerkennt und auf ha- 
stiges Weiterdrängen verzichtet, daß also seinem sonst wünschenswerthen Ein- 
tritt in die Ständekammer wegen der Art und Weise, wie er sich den ein- 
stigen Vollzug der nationalen Einigung vorstellt, nicht entgegenzutreten ist, 
das müssen wir hier als unsere Anschauung hervorheben, und wir würden 
es zum Voraus erklärlich finden, wie es im weiteren Verlauf der Wahl- 
bewegung kommen kann, daß ein Candidat von derselben Seite, die ihm bei 
der Zollparlamentswahl abgeneigt war, in den Landtag gewählt wird, ohne 
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